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Die leichtfüssigen Gesänge des Paters Augustin erfreuen auch an<br />

diesem hellen Maitag Mitwirkende und Zuschauer durch den Anmut<br />

und die Grazie der Verse und den eigenen Rhythmus, der eine besondere<br />

Art tänzerischer Bewegung aller auslöst, die am Umgang<br />

mitwirken: Sie alle überkommt das Gefühl einer seltenen Trunkenheit,<br />

der Gang ist wiegend, die Jungen tänzeln im Wechsel der Gesänge,<br />

die fast leise klingen, summend, wie wenn ein Bienenschwarm<br />

an den Fassaden der Häuser festhinge.<br />

Die Poeterei ist Pater Augustins unheiliges Steckenpferd, das ihm<br />

über die Zweifel seiner theologischen Begabung hinweghilft. In<br />

seinen Versen leben Gott, Götter und die Heiligen in völlig untheologischer<br />

Eintracht und Harmonie miteinander. Und auch das Böse<br />

hat seinen Platz in diesem musischen Olymp.<br />

Die Strasse ist an diesem Morgen eine bunte Szenerie, in der das<br />

Heilige und Unheilige nichts anderes sind als das Konterfei des<br />

Menschen, die überall in den Häusern wie Mühlmäuse zwischen<br />

engen Wänden hausen. Da wird es lebendig hinter diesen Mauern,<br />

und die Häuser spucken ihre Geheimnisse aus, während die Prozession<br />

vorüberzieht. Es sind alles bekannte Gesichter, diese kleinen<br />

Leute, die geizig ihre Jahre zählen und nicht wissen, was Leben eigentlich<br />

ist. Diese Nesthocker, die wie in einem riesigen Käfig leben,<br />

wo sie sich sicher fühlen. Die sich ihre Götter und Heiligen geschnitzt<br />

haben, so erbärmlich, wie sie selber sind: wie ausgestopfte<br />

Maskottchen. Die tragen sie mit sich, um ungeschoren ihre armseligen<br />

Gemeinheiten tun zu können.<br />

Wohl in keiner anderen Straße gibt es eine solche Anhäufung von<br />

Käuzen und Sonderlingen, die auf irgend eine Art ihre seltsamen<br />

Dinge treiben und hinter den trüben Schaufenstern der Trödelläden<br />

alten Plunder feilhalten. Wovon sie leben, weiß niemand, Jahre hindurch<br />

stehen die schäbigen<br />

Abfälle einstiger Generationen in den verstaubten Auslagen herum<br />

und warten auf einen fremden Abnehmer.<br />

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