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Lange Jahre war Marletta verschollen. Niemand in der Straße warte,
wo sie lebte. Einmal hatte sie einem ihrer Freunde aus einer fremden
Stadt geschrieben. Grüße einer Geliebten.
Als sie nach fast zwanzig Jahren zurückkehrte und wieder in dem
von ihren Eltern ererbten Haus wohnte, war alles, wie damals. Sie
gehörte zur Straße, und es war, als sei sie niemals weggewesen. Alle
Leute der Straße freuten sich: 'Marletta ist wieder da!'
Es schien, als leuchteten die Fassaden der Häuser heller, Mareletta
war zurückgekehrt nach einem langen Warten.
Sie sprach nie von dem, wo sie in diesen Jahren gewesen war. Es
hieß, sie habe in einer Stadt im Süden Triumphe als Diseuse gefeiert
und sei in der fremden, großen Stadt das Modell bedeutender
Künstler ge¬wesen. Man erinnerte sich nur, daß sie damals mit 'Simon
Magus', dem jungen Maler, weggegangen und dessen Begleiterin
gewesen sei. Für Marletta waren diese Jahre, wie sie es nannte,
ein Traum, der nichts hinterlassen hatte als die Spuren eines heiteren
Augenblicks.
Für Marletta gab es kein Gestern. Sie hatte keine Erinnerung an das
Vergangene. Immer, wenn sie sprach, wenn sie von dem sprach, was
sie bewegte, empfand, dachte, es war die Geburt eines Gedankens,
gegenwärtig, ganz lebendig und ohne das Abgestandene verlorener
Tage.
Auch die Verse, die sie sprach, wenn ihre Freunde im 'Kokon' sassen
und die elfte Abendstunde anbrach, rezitierte sie, wie eben erst
erdacht. Marletta war, wie ein Biograph aus jenen Jahren es formulierte,
die Hingabe an den Augenblick, in den sie sich verspann in
einem Knäuel sinnlicher Verspieltheit.
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