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irgend etwas zu unternehmen. Sie nehmen sich wichtig, wie einst im<br />

Amt; alles, was sie sagen, ist das gleiche wie früher, nur geschwätziger<br />

und dummer. Sie wirken komisch mit ihrem Gehabe, ihre innere<br />

Unsicherheit zu verbergen. Sie scheuen keine Lüge, um ihren grausamen<br />

Verlust zu überspielen und ihre Nichtigkeit aufzuwerten.<br />

Sie beschäftigen sich alle mit irgend welchen. Dingen; meist sind<br />

diese sinnlos, völlig unnütz. Einer berichtete mir, als ich noch im<br />

Amt war und darüber den Kopf schüttelte, er schreibe seine Familiengeschichte.<br />

Wobei er wusste, daß es keine war. Er hatte keine<br />

Angehörigen, er kannte keinen seiner Vorfahren, nur dürftige Daten,<br />

Durch die ‚Familiengeschichte‘ sollte der Nachwelt die Größe des<br />

Geschlechts' erhalten werden. So entstand eine seltsamegespenstische<br />

Geschichte, spukhaft-phantastisch, mit Figuren,<br />

Schemen und Schatten eines Toren, der nie wahrhaft gelebt hatte.<br />

Es ist seltsam: sie alle spüren es. Ihr eigenes Leben ist irgendwie<br />

Schatten und Schwamm. Sie suchen einen Ersatz für das verlorene,<br />

für ein ganzes Leben, an dem sie vorbeigegangen sind, ohne es je zu<br />

merken. Kollege Sch., der vor fünf Jahren in Pension gegangen ist,<br />

hat sich seine eigene Leichenrede auf Tonband gesprochen, eine<br />

schonungslose Demaskierung seiner Umwelt, seiner Angehörigen,<br />

die sein Ableben nicht erwarten können. Nach jedem Familienstreit<br />

hatte er das alte Band gelöscht und die Leichenrede auf den neuester<br />

Tatbestand gebracht. Das Band, so hatte er in seinem Testament<br />

verfügt, sollte an offenen Grab vor allen Trauergästen abgespielt<br />

werden, die Rache eines Teufels, der in der biederen Gestalt eines<br />

alternden Trottels Schrecken um sich zu verbreiten suchte durch<br />

immer neue und raffiniert ersonnene kleine Schikanen eines<br />

menschlichen Ekels.<br />

Menschen dieser Art treffe ich alle Tage. Sie sind mir im Amt begegnet;<br />

damals waren sie gierig beschäftigt, auf der Stufenleiter nach<br />

oben die nächste Sprosse zu erklimmen. Jede Demütigung nahmen<br />

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