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theologische Erfahrungen stammten nicht aus den Heiligen Schriften;<br />

er war einer der Aussenseiter Gottes, die nicht die neunundneunzig<br />

Gerechten lieben, vielmehr die Gestrauchelten, die Verdammten,<br />

die Verlorenen und Vergessenen auf den Landstraßen des<br />

Lebens. Jahre hindurch hatte er unter solchen gelebt, unter den Seiltänzern,<br />

den Marktschreiern, den Possenreissern und Clowns der<br />

Jahrmärkte und Zirkuszelte.<br />

Dann war er mit einem von diesen, der sich als Trödelhändler sesshaft<br />

gemacht hatte, zu den Leuten in der Straße gezogen. Seit einem<br />

Menschenalter lebte Pater Augustin nun unter und mit ihnen; als der<br />

jährliche Umgang durch Musik und Chorgesang eine festlich Note<br />

erhalten sollte, hatte Pater Augustin die Gesänge geschrieben und<br />

komponiert, die der Prozession ihren eigenen unnachahmlichen<br />

Charakter verliehen. Er lebte seiner Mission in der Strasse, ein Vagant<br />

Gottes, den man gewähren ließ, da er sich jedem Reglement<br />

entzog. Gott und seine Schöpfung waren für Pater Augustin kein<br />

theologisches Problem, er befasst sich lieber mit dem Chorsingen<br />

mittelalterlicher Antiphone als mit dar fruchtlosen Spekulationen<br />

über die eschatologischen Deutungen der frühchristlichen Patristen.<br />

In jener Epoche gab es eine Gestalt, die Pater Augustin aus dem<br />

Dunkel der Geschichte in das milde Licht einer geistvollen biographischen<br />

Studie führen wollte. Es war die Geschichte des heiligen<br />

der Strasse; zu dessen Ehren alljährlich der Umgang stattfand; der<br />

heilige der Dichter, Gregor von Nazianz, den Pater Augustin aus der<br />

historischen Versteinerung der bizarren Landschaft Kapadoziens<br />

löste und ganz untheologisch in die eigene skurrile Welt der Strasse<br />

einbürgerte. Nazianz, die kleine kappadozische Stadt, mit ihren<br />

Menschen, sollte zum Spiegelbild der Strasse werden.<br />

Die höchst eigenwillige literarische Arbeit über den Heiligen der<br />

Dichter und der Strasse galt Pater Augustin als sein Lebenswerk; für<br />

ihn war jener antike Nazianzener ein Ahnherr, dessen legendäres<br />

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