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Der Jahrhundertbetrug

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Kriegsgefangenen verursacht wurden. Eine Prüfung nach rassischen<br />

Gesichtspunkten sollte darüber befinden, ob das Kind abgetrieben<br />

oder „germanisiert“ (durch eine deutsche Familie adoptiert) werden<br />

sollte. <strong>Der</strong> Ausdruck „Sonderbehandlung“ war in diesem Fall eine<br />

Verweisung entweder auf „Germanisierung“ oder „Abtreibung“.<br />

Im Eichmann-Prozeß wurden einige Dokumente in das Beweisverfahren<br />

eingeführt, die sich mit der Behandlung von 91 Kindern aus<br />

Lidice in Böhmen-Mähren befaßten. Diese Kinder waren auf Grund<br />

von Repressalien verwaist, die in Lidice nach Heydrichs Ermordung<br />

durchgeführt worden waren. Eine bestimmte Anzahl wurde für die<br />

Germanisierung herausgesucht und der Rest zur Sammelstelle für<br />

verdrängte Personen in (Litzmannstadt) Lodz geschickt, die das<br />

Reichssicherheitshauptamt verwaltete. <strong>Der</strong> Leiter der Sammelstelle,<br />

Krumey, betrachtete diese Kinder als einen Sonderfall innerhalb der<br />

Sammelstelle, denen während ihres dortigen Aufenthaltes „Sonderbehandlung“<br />

zu gewähren war. Dieser oder der gleichbedeutende<br />

Ausdruck „gesonderte Behandlung“ wurde im Auswärtigen Amt<br />

auch in Verbindung mit gesonderten Kategorien von<br />

Kriegsgefangenen — z. B. bei Priestern — gebraucht. 49<br />

Himmler ließ sich etwas unklar über den Begriff „Sonderbehandlung“<br />

aus, als er den „Korherr-Bericht“ prüfte — Dokumente<br />

NO-5193 bis 5198. Korherr war Chef-Statistiker der SS und<br />

bereitete Ende 1942/Anfang 1943 einen Bericht über die Lage der<br />

europäischen Juden für Himmler vor. Im März 1943 berichtete er,<br />

daß insgesamt 1.873.594 Juden verschiedener Nationalität durch ein<br />

Programm der „Evakuierung“ erfaßt worden waren, mit der<br />

beiläufigen Bemerkung „einschließlich Theresienstadt und<br />

einschließlich Sonderbehandlung“. <strong>Der</strong> Bericht teilte auch die<br />

Anzahl der Juden in den Ghettos Theresienstadt, Lodz und dem<br />

Generalgouvernement sowie in den Konzentrationslagern und<br />

deutschen Städten mit. Außerdem war darin vermerkt, daß von<br />

1933 bis zum 31. Dezember 1942 in deutschen<br />

Konzentrationslagern 27.347 Juden verstorben waren.<br />

Nachdem Himmler den Bericht geprüft hatte, wies er Korherr<br />

durch Brandt an, den Ausdruck „Sonderbehandlung“ im Bericht<br />

nicht zu benutzen und den Transport in den Osten näher zu<br />

spezifizieren. Ungeachtet dessen enthält das uns vorliegende<br />

Dokument den Begriff in der dargelegten Form. Das Dokument gibt<br />

keinen Hinweis, wie der Begriff auszulegen ist; da er jedoch in<br />

Verbindung mit Theresienstadt auftaucht, erscheint es angebracht,<br />

ihn in einem günstigen Sinn auszulegen, nämlich als Hinweis auf eine<br />

Art bevorzugte Behandlung.<br />

Kurz danach schrieb Himmler in einem angeblich von ihm<br />

unterzeichneten Dokument, daß er den Bericht „als allenfallsiges [sic]<br />

Material für spätere Zeiten und zwar zu Tarnungszwecken“<br />

betrachte. Was zu tarnen gewesen sei, wird in dem Dokument nicht<br />

angegeben. Doch bezeugte Eichmann in seinem Prozeß, daß die<br />

deutsche Regierung nach der Stalingrad-Katastrophe im Januar<br />

1943 den Gang der Deportationen aus „Tarnungsgründen“<br />

beschleunigt habe, „um das deutsche Volk darüber zu beruhigen,<br />

daß draußen alles in Ordnung wäre“. Himmler wies besonders darauf<br />

hin, daß der Korherr-Bericht „im Augenblick“ nicht veröffentlicht<br />

werden dürfe, aber seine Bemerkung über eine Tarnung könnte<br />

dennoch in dem von Eichmann angedeuteten Sinn aufgefaßt werden<br />

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