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Der Jahrhundertbetrug

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Jugendkultur allgemein zur Zufriedenheit des Vatikans definierte,<br />

fanden die Nationalsozialisten es schwierig, mit solchen Bedingungen<br />

zu leben, und fanden verschiedene Wege, die katholische<br />

Position zu unterlaufen, ohne die Bedingungen des Konkordates zu<br />

widerrufen. Z. B. wurde den katholischen Jugendorganisationen<br />

verboten, sich im Sport zu engagieren, wobei man darauf<br />

spekulierte, daß solche Einschränkungen gegenüber Verbindungen,<br />

die sich zu den Sphären der geistigen Welt hingezogen fühlen, zu<br />

ihrem allmählichen Verwelken beitragen würden. Da gab es auch<br />

verschiedene Arten von Einschüchterungen gegenüber den Eltern,<br />

die darauf bestanden, ihre Kinder in katholische Schulen zu<br />

schicken.<br />

Darüber hinaus waren nationalsozialistische Veröffentlichungen<br />

wie das „Schwarze Korps“ (SS-Magazin) und „<strong>Der</strong> Stürmer“ offen<br />

anti-christlich; sie häuften auf den Papst und die katholische<br />

Geistlichkeit ständig allgemeine Verachtung, indem sie Anklagen<br />

begünstigten, daß die heiligen Männer homosexuell wären oder<br />

Liebschaften mit Jüdinnen hätten. Obgleich die Nationalsozialisten<br />

sich niemals um die wichtigste Bestimmung des Konkordates, die<br />

Zurverfügungstellung von Steuereinkünften, drückten, wurde die<br />

gegenseitige Feindschaft so groß, daß viele fühlten, daß es stets gute<br />

Gründe für einen zweiten Kulturkampf gab (Kulturkampf war der<br />

Begriff für Bismarcks erfolglosen Versuch von 1871/1875, die Macht<br />

der Römischen Kirche in Deutschland zu vermindern) .<br />

Die Feindschaft zwischen dem Nationalsozialismus und dem<br />

Vatikan führte im Jahr 1937 zu der höchst ungewöhnlichen<br />

päpstlichen Enzyklika „Mit brennender Sorge“. Herausgegeben in<br />

Deutsch anstatt wie gewöhnlich in Latein, stellte es eine der<br />

stärksten Attacken dar, die der Vatikan jemals gegen irgendeinen<br />

Staat unternommen hatte. <strong>Der</strong> Papst damals war Pius XI, während<br />

Eugenio Kardinal Pacelli, der im Jahre 1939 Pius XII. werden sollte,<br />

Staatssekretär des Vatikans war. Pacelli, ein Diplomat mit<br />

weltweiter Erfahrung, zehn Jahre lang päpstlicher Nuntius in<br />

Deutschland und fließend deutschsprechend, wurde bereits als der<br />

offensichtliche Nachfolger Pius XI angesehen, und seine Bedeutung<br />

war in den Reihen der internationalen Diplomatie nicht in Frage<br />

gestellt. „Mit brennender Sorge“ war unter seiner Oberaufsicht<br />

geschrieben worden. 1<br />

Trotz der unbestrittenen Feindschaft zwischen der Kirche und<br />

dem Nationalsozialismus sollte im Gedächtnis behalten werden, daß<br />

der Kommunismus in den Augen des Vatikans noch der Hauptfeind<br />

war. Mit einem Gegner wie dem deutschen Nationalsozialismus gab<br />

es für die Kirche noch genügend Spielraum zum Manövrieren, doch<br />

die Kommunisten hatten sich bis zu jenem Zeitpunkt als totale und<br />

tödliche Feinde gezeigt. Mehr noch : Deutschland war nicht der<br />

einzige europäische Staat, mit dem der Vatikan unzufrieden war.<br />

Frankreich und die Tschechoslowakei hatten stark antiklerikale<br />

Regierungen. Auf diese Weise konnte der Vatikan, als der Krieg kam,<br />

obgleich er natürlich offiziell neutral blieb, weder begeistert für die<br />

eine noch die andere Seite sein. Seitdem der Kommunismus als der<br />

Hauptfeind angesehen wurde, ist es wahrscheinlich korrekt, daß der<br />

Vatikan eher die Achsenseite vorzog. Aber von seiner Sicht her<br />

betrachtet war es definitiv die Wahl des kleineren Übels. Darüber<br />

hinaus gab es innerhalb der Kirche eine beträchtliche Meinungsver-<br />

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