01.11.2013 Aufrufe

Der Jahrhundertbetrug

Der Jahrhundertbetrug

Der Jahrhundertbetrug

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

seien. Leider erlebte er es nicht, diesen Standpunkt vor Gericht zu<br />

vertreten, denn am 17.6.1963 verstarb er im Gefängnis im Alter von<br />

51 Jahren, der Verlautbarung nach an Kreislaufschwäche; seine Frau<br />

hingegen hielt den Tod ihres vorher gesunden Mannes für<br />

ausgesprochen mysteriös. 24<br />

Als die Verhandlungen schließlich im Dezember 1963 in<br />

Frankfurt begannen, war der Hauptangeklagte K. L. Mulka, eh.<br />

SS-Hauptsturmführer, der für kurze Zeit der Adjutant von Höß in<br />

Auschwitz gewesen war. Mulka war schon einmal kurz nach dem<br />

Kriege im Zusammenhang mit seinem Dienst in Auschwitz vor ein<br />

deutsches Gericht gestellt worden, gleichermaßen wie einige weitere<br />

Angeklagte. Das Gericht ignorierte natürlich die gesetzlichen<br />

Vorschriften nicht völlig und bemühte sich zu erklären, daß die<br />

Regierung in Bonn sich als Rechtsnachfolger des Dritten Reiches<br />

betrachte und daher zuständig sei, Personen gerichtlich zu verfolgen,<br />

die sich während des Krieges Gesetzesübertretungen haben<br />

zuschulden kommen lassen. Das Gericht hatte somit von der<br />

Tatsache auszugehen, daß das Töten von Menschen, also auch<br />

Juden, im nationalsozialistischen Deutschland selbstverständlich<br />

illegal war. Das Frankfurter Gericht hat sogar selbst in seiner<br />

Urteilsbegründung eine bezeichnende Sachdarstellung gegeben : 25<br />

„Diese Feststellung der Schuld hat aber das Gericht vor außerordentlich<br />

schwere Aufgaben gestellt. Außer wenigen und nicht sehr ergiebigen<br />

Urkunden standen dem Gericht zur Rekonstruktion der Taten der<br />

Angeklagten fast ausschließlich Zeugenaussagen zur Verfügung. Es ist eine<br />

Erfahrung der Kriminologie, daß Zeugenaussagen nicht zu den besten<br />

Beweismitteln gehören. Dies um so mehr, wenn sich die Aussage der Zeugen<br />

auf Vorfälle bezieht, die vor 20 Jahren oder mehr unter unsäglichem Leid und<br />

Qualen von den Zeugen beobachtet worden sind. Selbst der ideale Zeuge, der<br />

nur die reine Wahrheit sagen will und der sich müht, sein Gedächtnis zu<br />

erforschen, ist nach 20 Jahren manchen Erinnerungslücken unterworfen. Er<br />

gerät in die Gefahr, Dinge, die er tatsächlich erlebt hat, auf andere Personen zu<br />

projizieren, und Dinge, die ihm von anderen in diesem Milieu sehr drastisch<br />

erzählt wurden, als eigenes Erlebnis aufzufassen. Auf diesem Weg aber gerät er<br />

in die Gefahr, Zeit und Ort seiner Erlebnisse zu verwechseln.<br />

Es ist gewiß für Zeugen eine Zumutung gewesen, wenn man sie heute noch<br />

nach allen Einzelheiten ihrer Erlebnisse fragt. Es hieße die Zeugen<br />

überfordern, wenn man heute, nach 20 Jahren, noch wissen will, wann, wo<br />

und wie im einzelnen wer was gemacht hat. Aus diesem Grunde ist auch<br />

wiederholt von den Zeugen Erstaunen geäußert worden darüber, daß man von<br />

ihnen eine so präzise Wiedergabe des damaligen Geschehens verlangt hat. Es<br />

ist selbstverständlich und auch die Pflicht der Verteidigung gewesen, nach<br />

diesen Einzelheiten zu fragen. Und es ist durchaus unrecht, der Verteidigung<br />

etwa zu unterstellen, sie wolle diese Zeugen der Lächerlichkeit anheimgeben.<br />

Im Gegenteil, man muß sich doch nur einmal vergegenwärtigen, welche<br />

unendliche Kleinarbeit in einem Mordprozeß unserer Tage geleistet wird, wie<br />

aus kleinen Mosaiksteinchen das Bild des wahrhaften Geschehens im<br />

Augenblick des Mordes zusammengesetzt wird. Es steht dem Gericht zur<br />

Verfügung zunächst die Leiche, das Obduktionsprotokoll, das Gutachten der<br />

Sachverständigen über die Ursachen für den Eintritt des Todes und der Tag, an<br />

dem die Tat geschehen sein muß, die Einwirkung, die zum Tode des<br />

betreffenden Menschen geführt hat. Es stehen zur Verfügung die Mordwaffe,<br />

243

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!