01.11.2013 Aufrufe

Der Jahrhundertbetrug

Der Jahrhundertbetrug

Der Jahrhundertbetrug

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Gemüseeintopf für die Hauptmahlzeit erhielt, und am Morgen bekam der<br />

Häftling Kaffee und Brot, wenn vorhanden, und für das Abendbrot Kaffee und<br />

Brot, wiederum, wenn vorhanden, und Käse oder Wurst. Wenn die Häftlinge bei<br />

dieser Ernährung hätten arbeiten müssen, hätte es zum Überleben nicht<br />

ausgereicht, aber da sie nicht arbeiteten, glaube ich, daß es genug war, um sie am<br />

Leben zu erhalten. Ich glaubte, sie würden diese Ernährung etwa sechs Wochen<br />

durchhalten können und nach diesen sechs Wochen hoffte ich, mehr<br />

Lebensmittel zu bekommen. Die oben beschriebenen Rationen waren der<br />

normale Satz in jedem Konzentrationslager zu jener Zeit. <strong>Der</strong> Hauptpunkt, an<br />

dem sich die Ernährung verschlechterte, war Brot, weil dieses zwei oder drei<br />

Tage lang wiederholt fehlte. Es war absolut unmöglich für mich, genug Brot<br />

herbeizuschaffen, um die Zahl der Häftlinge zu versorgen. In den Anfangstagen<br />

war Brot von den örtlichen Bäckereien in Belsen geliefert worden. Später waren<br />

so viele Häftlinge im Lager, daß die Bäckereien die erforderliche Menge nicht<br />

mehr liefern konnten, und so schickte ich LKWs nach Hannover und anderen<br />

Orten, um Brot zu holen, aber selbst dann war es mir nicht möglich, auch nur<br />

die Hälfte dessen zu beschaffen, was ich brauchte, um die Häftlinge mit<br />

normalen Rationen zu ernähren. Abgesehen von Brot sind die Rationen niemals<br />

herabgesetzt worden. Anstelle von Brot wurde Mehl geliefert, was dann für<br />

Mahlzeiten verwendet wurde. Es stellte sich dann heraus, daß, wenn wir aus<br />

diesem Mehl Brot gebacken hätten, die Sterberate nicht so hoch gewesen wäre.<br />

Ich fuhr zum Depot in Celle und dann zur nächsthöheren Dienststelle in<br />

Hannover, um die ins Bild zu setzen, was in Belsen los war. Auch wies ich sie<br />

darauf hin, daß, wenn eine Katastrophe passieren würde, ich die Tatsachen nicht<br />

nur aufdecken, sondern sie auch verantwortlich dafür machen würde. Ich weiß<br />

nicht mehr, mit wem ich an jeder dieser Dienststellen gesprochen habe. Ich habe<br />

mich niemals an Berlin gewandt, weil die mir doch nicht hätten helfen können.<br />

Es war ausschließlich Sache der Versorgungsstellen in Celle und in Hannover.<br />

Meine Besuche in diesen Depots resultierten in Extrarationen an Kartoffeln und<br />

Rüben, die dann später auch kamen.<br />

Ich erinnere mich an einen Fall von Kannibalismus sehr gut. Es wurde mir<br />

gemeldet, daß ein Häftling in den Leichenraum eingedrungen war und daß Teile<br />

von einer Leiche fehlten. Ich setzte eine Wache für die Leichen über Nacht ein,<br />

und jene Wache verhaftete einen Mann noch in der gleichen Nacht, der sich einer<br />

Leiche genähert hatte. <strong>Der</strong> Mann wurde festgenommen, aber bevor er am<br />

nächsten Morgen vernommen werden konnte, hatte er sich erhängt. Ob es noch<br />

mehr Fälle von Kannibalismus gegeben hat, kann ich nicht sagen, aber von dem<br />

Abend an setzte ich Wachen im Leichenraum ein. Die Wachen bestanden aus<br />

Häftlingen. Ich glaube, daß die Häftlinge die Leichen gegen andere Häftlinge<br />

schützen würden. Ob sie es taten oder nicht, kann ich nicht sagen. <strong>Der</strong><br />

Leichenraum war nicht immer im gleichen Gebäude, da die Häftlinge in so<br />

großem Ausmaß wechselten. Ich mußte die Unterbringung ständig wechseln,<br />

und darum war das als Leichenraum dienende Gebäude nicht immer das gleiche.<br />

Wenn ein solcher Wechsel stattfand, wurde das Gebäude von Häftlingen<br />

gesäubert und für sie am folgenden Tag als Unterkunft eingerichtet.<br />

<strong>Der</strong> Lagerarzt meldete sich krank und wurde Mitte Februar von Dr. Klein<br />

abgelöst. Ungefähr am 1. März kam ein weiterer Lagerarzt. Sein Name war<br />

Hauptsturmführer Horstmann. Zwei Tage bevor die Alliierten kamen, zog<br />

Horstmann mit den Truppen ab und nur Dr. Klein blieb. Abgesehen von jenen<br />

(Klein und Horstmann) waren keine SS-Ärzte im Lager. Ende Januar kam Dr.<br />

Lolling vom Ministerium in Berlin zu einer Inspektion. Ich wies darauf hin, daß<br />

wenn, wie mir in Berlin gesagt worden war, Belsen ein Lager für Kranke sein<br />

sollte, ich mehr Ärzte brauchte. Er sagte, es ständen im Augenblick keine zur<br />

Verfügung, aber sobald er wen hätte, würde er sie schicken. Dr. Lolling<br />

345

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!