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Der Jahrhundertbetrug

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eingetragen wurde. <strong>Der</strong> diensthabende Lagerführer ließ jeden Morgen antreten<br />

zum Zählen der Häftlinge. Bei diesem Antreten meldete jeder Blockführer die<br />

Stärke seiner Blockeinheit und die Zahl der Todesfälle, die am Tag zuvor<br />

eingetreten waren, und der Rapportführer addierte die Stärke der verschiedenen<br />

Blocks auf einem Bogen Papier und errechnete die Gesamtsumme. Dieser<br />

Bericht schloß die Zahl der Toten vom vorhergehenden Tag ein. Wir hatten<br />

jeden Tag beim Antreten 40 Blockführer.<br />

Im Januar (1945) übernahm ich ein neues benachbartes Lager, in dem 40 bis<br />

50 neue Blöcke waren. Ich bekam kein zusätzliches Personal, als ich dieses Lager<br />

übernahm. Erst später, als Lager in Schlesien evakuiert wurden, kamen Wachen<br />

mit Häftlingen, wodurch die Stärke des Personals erhöht wurde. Ich wurde nicht<br />

immer über neue Häftlingstransporte unterrichtet; besonders die Häftlingstransporte<br />

aus Schlesien kamen ohne Voranmeldung. Es kamen Transporte mit<br />

nur 100 oder 200 Leuten und andere mit 1.500, 2.000, 2.500 usw. Ich hatte<br />

Lebensmittelreserven im Lager und wenn ein neuer Trupp von Häftlingen<br />

ankam, mußte ich auf diese Reserven zurückgreifen, bis ich die neue Gesamtzahl<br />

gemeldet hatte und dementsprechend Nachschub für die größere Häftlingszahl<br />

bekam. Es kamen keine regelmäßigen Lebensmitteltransporte; die Bahn hätte<br />

Lebensmittel bringen müssen, wann immer ein Zug zur Verfügung stand. Ich<br />

kann nicht mehr sagen, wie viele Häftlinge ich nach Ablauf dieses Monats hatte,<br />

weil mein Befehl lautete, daß ich Häftlinge so schnell wie möglich zum Arbeiten<br />

hinausschicken sollte. Die eintreffenden Häftlinge wurden daher mit jenen<br />

ausgeglichen, die zur Arbeit verschickt wurden, und so schwankten die Zahlen<br />

jeden Tag. Jeder arbeitsfähige Häftling wurde zum Arbeitseinsatz<br />

hinausgeschickt und zwar an Industriefirmen. Die anderen Häftlinge arbeiteten<br />

nur innerhalb des Lagers und zur Sauberhaltung des Lagers.<br />

Als ich am 1. Dezember (1944) übernahm, waren grob gerechnet 15.000<br />

Personen im Lager; etwa 200 starben im Dezember; am 1. Januar 1945 waren<br />

17.000 Personen im Lager; 600 starben im Januar; am 1. Februar waren 22.000<br />

Personen im Lager. Vom 15. Februar an bin ich nicht mehr in der Lage zu sagen,<br />

wie viele Häftlinge ich hatte, weil kein Buch darüber mehr geführt wurde, denn<br />

das erwies sich als ausgesprochen unmöglich angesichts der hereinströmenden<br />

Transporte aus den Lagern in Schlesien, die evakuiert wurden, und, wie ich<br />

bereits erwähnte, die Lagerlisten, die ich geführt hatte, habe ich im März<br />

vernichtet.<br />

Ich weiß die Zahl der Todesfälle, die in dieser Zeitspanne eingetreten waren,<br />

überhaupt nicht mehr, aber die Zustände in Belsen verschlimmerten sich von<br />

Mitte Februar bis Mitte April 1945, als die Alliierten kamen. Ich habe das Lager<br />

während dieser Zeitspanne täglich inspiziert und mir waren die Zustände und<br />

die große Zahl der Personen, die starben, völlig klar. Die Sterberaten in den<br />

Monaten Februar, März und April stiegen allmählich an, bis sie 400 oder 500 pro<br />

Tag erreichten. Diese Zahl rührte von der Tatsache her, daß, wenn die Leute<br />

gesund waren, ich sie zum Arbeitseinsatz hinausschicken mußte und nur die<br />

Kranken und Sterbenden dabehielt. Ich wurde vom Stationsvorsteher<br />

benachrichtigt, daß ein Transport angekommen war, und dann mußte ich die<br />

Häftlinge abholen. Die ankommenden Transporte wurden von den Wachen nur<br />

nach Zahlen und nicht nach Namen registriert. Ungefähr zweimal wöchentlich<br />

wurden Lebensmittel von örtlichen Lagern angefordert und eine entsprechende<br />

Meldung ans Ministerium in Berlin gesandt, was auf der von den Wachen<br />

angegebenen Zahl basierte, die die eintreffenden Leute gezählt hatten.<br />

Alle Häftlinge erhielten drei Mahlzeiten am Tag. Ich kann nicht mehr sagen,<br />

was die Tagesration war, da dieses vom Lebensmittellager festgelegt und<br />

einheitlich ausgerichtet war. Ich habe die Rationen aus den Lebensmitteldepots<br />

niemals überprüft, aber ich versicherte mich, daß jeder Häftling einen Liter<br />

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