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Der Jahrhundertbetrug

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einer Stadt unter ihrer eigenen Verwaltung und nahezu vollständigen<br />

Autonomie zu geben. Bei vielen Gelegenheiten wurde den Delegierten des<br />

Komitees freigestellt, Theresienstadt zu besichtigen, doch weil die<br />

Lokalbehörden Schwierigkeiten machten, fand der erste Besuch erst im Juni<br />

1944 statt. <strong>Der</strong> jüdische Ältestenrat (elder in charge) informierte die Delegation<br />

in Gegenwart eines Vertreters der deutschen Behörden, daß 35.000 Juden in der<br />

Stadt ansässig wären und daß die Lebensverhältnisse erträglich wären. Auf<br />

Grund des von den Führern verschiedener jüdischer Organisationen<br />

ausgedrückten Zweifels hinsichtlich der Zuverlässigkeit dieses Berichts, bat das<br />

Komitee die deutsche Regierung, seinen Delegierten einen zweiten Besuch zu<br />

genehmigen. Nach mühsamen Verhandlungen, die von der deutschen Seite<br />

reichlich verzögert wurden, waren zwei Delegierte in der Lage, das Lager am 6.<br />

April 1945 zu besuchen. Sie bestätigten den günstigen Eindruck, den man beim<br />

ersten Besuch erhalten hatte, aber ermittelten, daß die Lagerstärke sich<br />

zusammensetzte aus : nur 30.000 Internierten, einschließlich 1.100 Ungarn,<br />

11.050 Slowaken, 800 Holländer, 290 Dänen, 8.000 Deutschen, 8.000<br />

Tschechen und 760 staatenlosen Personen. Sie befürchteten daher, daß<br />

Theresienstadt ein Durchgangslager wäre und erkundigten sich nach dem letzten<br />

Transport von Personen nach dem Osten. <strong>Der</strong> Führer der Sicherheitspolizei des<br />

Protektorates erklärte, daß die letzten Transporte nach Auschwitz 6 Monate<br />

vorher abgegangen wären und 10.000 Juden erfaßt hätten, die zur Arbeit in der<br />

Verwaltung und für die Ausweitung des Lagers eingesetzt werden sollten. Dieser<br />

hochgestellte Beamte versicherte den Delegierten, daß keine Juden künftig mehr<br />

deportiert würden.<br />

Wenngleich andere Lager, die ausschließlich Juden vorbehalten waren, für<br />

Inspektionen zugunsten humanitärer Zwecke bis zum Kriegsende nicht<br />

freigegeben wurden, war das Komitee schließlich doch in verschiedenen<br />

Konzentrationslagern, in denen Juden in der Minderheit waren, aktiv und<br />

wirksam. Während der Endmonate übernahm das Komitee in dringenden<br />

Fällen eine Aufgabe von größter Bedeutung, indem es diese Internierten<br />

besuchte und ihnen Hilfe gab, sie mit Nahrung versorgte, Evakuierungen so<br />

gut wie Massenexekutionen in letzter Minute verhinderte und sogar die<br />

Leitung in den kritischen Stunden, manchmal Tagen übernahm, die zwischen<br />

dem Rückzug der deutschen Truppen und der Ankunft der Alliierten<br />

Streitkräfte vom Westen oder Osten lagen.<br />

Ein mehr ins einzelne gehender Bericht von diesen verschiedenen Aktivitäten<br />

ist in den Kapiteln über die politischen Häftlinge sowohl in diesem Band als auch<br />

in Band II niedergelegt, aber auch in einer besonderen Publikation mit dem Titel<br />

‚Documents sur l’activité du CICR en faveur des civils détenus dans les camps<br />

de concentration en Allemagne, 1939—1945.‘<br />

Wenig ist bekannt über die Rolle, die das Komitee in Ländern spielte, deren<br />

Regierungen mehr oder weniger dem deutschen Einfluß ausgesetzt waren und in<br />

denen besondere Gesetze hinsichtlich der Juden, ähnlich jenen der deutschen<br />

Gesetzgebung angenommen waren.<br />

Durch seine Delegierten, besonders in Budapest, Bukarest, Preßburg, Zagreb<br />

und Belgrad war das Komitee in der Lage, den best möglichen Gebrauch von<br />

seiner moralischen Autorität zu machen. Zugute kam seinen Delegierten die<br />

gewogene Einstellung einiger nicht-deutscher Behörden, die mehr oder weniger<br />

freie Hand hatten und nicht auf einer rücksichtslosen Durchführung einer<br />

Rassenpolitik analog der deutschen Regierung bestanden. In seiner Eigenschaft<br />

als neutraler Vermittler war das Komitee in der Lage, Hilfslieferungen im Wert<br />

von über zwanzig Millionen Schweizer Franken zu überbringen und zu verteilen,<br />

die weltweit von jüdischen Wohlfahrtorganisationen, besonders vom ‚American<br />

Joint Distribution Committee of New York‘ gesammelt worden waren. Ohne<br />

die Hilfe des ICRC wäre diese konzentrierte Anstrengung einer umfassenden<br />

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