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Der Jahrhundertbetrug

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der Häftling mußte sich über einen Tisch beugen und die Schläge wurden ihm<br />

auf sein Hinterteil gegeben, ohne daß er sich vorher entblößen mußte. Ich habe<br />

nie Schwierigkeiten mit Häftlingen gehabt, die diese Prügelstrafe vornehmen<br />

mußten. Sie erhielten den Befehl dazu und den befolgten sie. Hätten sie sich<br />

geweigert, hätte ich sie für diese Weigerung nicht bestrafen können. <strong>Der</strong> Befehl<br />

aus Berlin lautete, daß so und so viel Schläge von einem anderen Häftling<br />

ausgeteilt werden sollten, aber der Befehl sagte nichts darüber, was zu tun war,<br />

wenn die Häftlinge sich geweigert hätten, einen ihrer Mithäftlinge zu prügeln.<br />

Es gab keine festgelegten Regeln, für welche Vergehen die Prügelstrafe<br />

verhängt werden konnte. Es oblag dem Kommandanten, in Berlin die Erlaubnis<br />

zur Prügelstrafe zu beantragen. Aus dem Antrag mußte hervorgehen, welche Art<br />

von Vergehen der Häftling begangen hatte und welche Strafen er für<br />

vorhergehende Taten bereits erhalten hatte. Dieses Schreiben mußte vom<br />

Kommandanten unterzeichnet werden. Die Art der Vergehen, für die ich die<br />

Prügelstrafe in Berlin zu beantragen pflegte, war wie folgt : „Dieser Häftling hat<br />

bereits drei- oder viermal Lebensmittel von seinen Mithäftlingen gestohlen“<br />

oder wegen Unordentlichkeit oder Ungehorsam oder Angriff gegen seine Wache.<br />

Das erste, was passierte, wenn jemand aus dem Lager ausgebrochen war und<br />

zurückgebracht wurde, war, daß die Kriminal-Vernehmungsabteilung untersuchte,<br />

ob er irgendetwas verbrochen hatte, während er auf freim Fuß war; dann<br />

wurde er ohne jede Verhandlung dem Kommandanten vorgeführt, und der<br />

Kommandant ordnete Bestrafung an. Jeder Mann, der zu fliehen versucht hatte,<br />

wurde nach Berlin gemeldet, auch mußte berichtet werden, wann er wieder<br />

eingefangen war. <strong>Der</strong> Kommandant konnte ihm 21 Tage Haft auferlegen, ohne<br />

bei einer höheren Dienststelle anzufragen, aber Prügelstrafe konnte er nur mit<br />

Genehmigung Berlins erteilen. Jedes Mitglied der Wache war mit einem Gewehr<br />

bewaffnet und auf den Wachtürmen standen Maschinengewehre. Peitschen und<br />

Stöcke waren verboten. Die Wachen trugen einfach nur Gewehre.<br />

Sobald Häftlinge in einer geschlossenen Gruppe ankamen, wurden sie alle in<br />

dem gleichen Block untergebracht. Schließlich wurden sie in drei Gruppen<br />

aussortiert : Politische, Asoziale und Kriminelle, aber niemals nach<br />

Nationalitäten. Es gab in diesem Punkt keine strengen Regeln, aber das<br />

entwickelte sich so im Lauf der Zeit. Die drei oben erwähnten Kategorien<br />

wurden nur in ihren Unterkünften voneinander getrennt gehalten. Sie arbeiteten<br />

zusammen, aßen zusammen und konnten miteinander sprechen. Am Anfang<br />

arbeiteten die Häftlinge nur im Lager selbst. Später machten wir einen<br />

nahegelegenen Steinbruch auf. Eine andere Arbeit war, Flugzeugmotoren<br />

auseinanderzunehmen und Teile zu reparieren, die wieder verwendet werden<br />

konnten. Fünfzehn bis zwanzig Häftlinge wurden entlassen, während ich dort<br />

war. <strong>Der</strong> Befehl zur Entlassung kam aus Berlin. Ich weiß nicht, warum der<br />

Befehl erteilt wurde. Sie waren alle politische Häftlinge und deutscher<br />

Nationalität.<br />

Das Lager war mit Stacheldraht eingezäunt — 3m hoch. An den jeweiligen<br />

Ecken standen Türme mit Maschinengewehren. Da war eine Reihe Stacheldraht,<br />

wo die Wachen patrouillierten und dann ein weiterer Stacheldrahtzaun. <strong>Der</strong><br />

Stacheldraht stand im Anfang nicht unter Strom, weil es keinen Strom gab, aber<br />

später, als Strom da war, wurde der Zaun unter Strom gesetzt, im Frühjahr<br />

1943. Damals war ich Kommandant. Zwei Monate bevor ich abgelöst wurde,<br />

kamen acht oder neun Hunde, die zur Wachbegleitung eingesetzt wurden. Sie<br />

wurden hauptsächlich im Steinbruch verwendet, um die Häftlinge am<br />

Entkommen zu hindern. Diese wurden von den Wachen beaufsichtigt. Ich<br />

erinnere mich an zwei Vorfälle, wo die Häftlinge versuchten, aus dem<br />

Steinbruch zu fliehen, aber ich weiß nicht mehr, ob sie erschossen wurden. In<br />

meinen ganzen drei Jahren hatte ich dort nur zwei Erschießungen im<br />

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