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Der Jahrhundertbetrug

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sein wollen, so gab es doch stark wirkende Argumente gegen ein<br />

solches Heldentum. Seine Familie benötigte ihn dringend; sein<br />

Verteidiger bemühte sich um ein günstiges Urteil. Grundsätzlich sind<br />

Anwälte keine Historiker, die wahrheitsgemäßes Geschehen<br />

erforschen, so sind auch Behauptungen Kramers, daß Höß und das<br />

RSHA schuldig seien, nicht als historische Wahrheitsbelege zu<br />

werten.<br />

Einer weiteren Behauptung zufolge soll Kramer als damaliger<br />

Kommandant von Natzweiler 80 Menschen für medizinische<br />

Experimente vergast haben. Diese Personen waren angeblich in<br />

Auschwitz nach unbekannten Kriterien aussortiert und dann nach<br />

Natzweiler verbracht worden, um dort getötet zu werden, weil man<br />

die Leichen frisch im nahegelegenen Straßburg benötigte. Kramer<br />

bestätigte diese Angaben in seiner zweiten Erklärung, doch da dies<br />

uneingeschränkt und unmißverständlich in seiner ersten Erklärung<br />

abgestritten wird, neige ich dazu, dies für unwahr zu halten.<br />

Es mag durchaus möglich sein, daß in Natzweiler eine Reihe von<br />

Personen exekutiert worden ist, als ein anderer Kommandant dort<br />

war, und daß die Leichen anschließend im Anatomischen Institut<br />

Straßburg seziert worden sind (wo man ganz sicher Leichen für<br />

Forschungszwecke hatte). In keinem Falle jedoch hat diese<br />

Angelegenheit etwas mit einem Vernichtungsprogramm zu tun.<br />

Eine historische Wahrheitsforschung anhand der Unterlagen des<br />

IMT-Prozesses zu betreiben ist angesichts der großen Zahl der<br />

Angeklagten — aber auch der diesbezüglichen Aktenberge —<br />

außerordentlich schwierig. Jeder der Angeklagten nahm seine<br />

eigenen Möglichkeiten wahr, sich von wirklichen oder imaginären<br />

Verbrechen zu entlasten. Die Verhandlungsprotokolle sind nicht<br />

recht geeignet, um das Verhalten der IMT-Angeklagten zu studieren,<br />

hingegen ergänzen die Aufzeichnungen des Gefängnispsychologen in<br />

Nürnberg, Dr. G. M. Gilbert — „Nürnberger Tagebuch“ — diese<br />

Niederschriften immerhin so weit, als sie über die Reaktionen der IMT-<br />

Angeklagten nicht nur im Verhandlungssaal, sondern auch<br />

innerhalb des Gefängnisses Aufschlüsse vermitteln. Freilich kann<br />

man auch der Darstellung Gilberts kein absolutes Vertrauen<br />

schenken, hat er doch Gespräche der Angeklagten unter einander als<br />

auch mit ihm nachträglich aus dem Gedächtnis in sein „Tagebuch“<br />

eingetragen. Sein Manuskript ist darüber hinaus von einem<br />

ehemaligen Angestellten des „Office of War Information“ (eines<br />

US-Nachrichten-, sprich Geheimdienstes), aber auch von den<br />

Anklägern Jackson und Taylor kritisch durchgesehen worden.<br />

Gleichwohl mag sein Buch allgemein zutreffend sein, aber im<br />

Hinblick auf Einzelheiten ist Reserve geboten.<br />

Die IMT-Angeklagten sind unmittelbar nach der deutschen<br />

Kapitulation im Mai 1945 verhaftet, in Einzelhaft gesperrt, verhört<br />

und 6 Monate lang propagandistisch „konditioniert“ worden, bevor<br />

sie erstmals als Gefangene (in manchen Fällen sogar überhaupt zum<br />

ersten Mal) einander gegenübertraten.<br />

Vier wichtige Bemerkungen sind hier einzublenden :<br />

1. Außer Kaltenbrunner — was nicht überraschend ist — hatten<br />

alle Angeklagten bezüglich der KZ-Greuel und Judenvernichtungen<br />

einen gleichlautenden Verteidigungsstandpunkt vorgetragen, und<br />

zwar unabhängig davon, an welches Ausmaß solcher Behauptungen<br />

sie selbst geglaubt haben mögen : es war alles der Fehler Hitlers und<br />

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