01.11.2013 Aufrufe

Der Jahrhundertbetrug

Der Jahrhundertbetrug

Der Jahrhundertbetrug

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Häftlinge und alles Männer. Dazu gehörten auch jüdische Häftlinge. Im Lager<br />

war genügend Platz für alle, als ich dort war. Keiner der Häftlinge wußte zur Zeit,<br />

als er ankam, wann er wieder entlassen würde. Es gab nur einige, die zu Strafen<br />

von drei oder sechs Monaten verurteilt waren, und der größte Teil der Häftlinge<br />

war dort für einen unbestimmten Zeitraum. Einzelhaft sowie Einzelhaft bei<br />

Wasser und Brot oder Extraarbeit an Sonntagen waren die Strafen für Verstöße<br />

gegen die Disziplin. Die Häftlinge sind niemals geschlagen worden, auch weiß ich<br />

keinen Fall von Erschießen. Gefangenenausbrüche kamen vor, aber ich war nie<br />

dabei, wenn jemand versuchte, zu fliehen. Ich saß im Büro, und wenn dann das<br />

Telefon klingelte, und einer der Wachen berichtete dann, daß einer der Häftlinge<br />

versucht hatte, zu fliehen. Meine Aufgabe war es dann, hinauszugehen und<br />

nachzusehen, wo der Häftling gearbeitet hatte und wie es möglich war, daß er<br />

fliehen konnte. Wir benachrichtigten dann die Polizei und gaben die Personalien<br />

des Geflohenen durch. Die Weisungen lauteten, daß kein Häftling über eine<br />

bestimmte Grenze hinausgehen durfte. Tat es ein Häftling doch, so mußte die<br />

Wache ihn dreimal mit den Worten „Halt oder ich schieße“ auffordern, dann<br />

einmal in die Luft schießen und erst der zweite Schuß sollte töten. Es ist schwer<br />

zu sagen, wie oft diese Art Schießerei stattfand, während ich in dem Lager war,<br />

weil es schon so lange her ist. Ich glaube, daß 10 bis 15 Leute erschossen worden<br />

sind, aber genau kann ich das nicht angeben. Jeder Fall von Schießen mußte den<br />

Dienststellen in Mauthausen und Linz gemeldet werden. Die nächstgelegene<br />

größere Stadt führte eine Untersuchung durch. Wenn auf jemanden geschossen<br />

oder jemand auf der Flucht erschossen worden war, wurde die entsprechende<br />

Wache sofort unter eine Art offenen Arrest gestellt, aber niemand ist je wegen<br />

falschen Schießens schuldig gesprochen worden. Die meisten der Leute, die auf<br />

diese Weise erschossen worden sind, waren Kriminelle oder Vagabunden, wobei<br />

der Grund dafür der war, daß der größere Teil der Lagerinsassen zu dieser<br />

Kategorie gehörte.<br />

Die Todesfälle, die vorkamen, hatten meistens natürliche Ursachen. Sobald<br />

jemand starb, mußten seine Angehörigen und die Stellen, die ihn ins Lager<br />

geschickt hatten, benachrichtigt werden. Es gab einen sehr harten Winter, als die<br />

Sterbefälle anstiegen, aber sonst hatten wir sehr wenig Tote. Die Häftlinge<br />

lebten in Holzbaracken mit übereinander montierten Dreierbetten, 250 bis 300<br />

Mann je Gebäude. Während ich in diesem Lager war, inspizierte Obergruppenführer<br />

Eicke, dem alle Konzentrationslager unterstanden, das Lager drei- oder<br />

viermal, aber an die Daten kann ich mich nicht mehr erinnern. In diesem Lager<br />

befanden sich keine Kriegsgefangenen. Es kamen ein paar mehr politische<br />

Gefangene herein, aber großer Zuwachs bestand nicht. Sie waren meist<br />

Österreicher. Weder in Dachau noch in Mauthausen waren Mitglieder der<br />

ehemaligen österreichischen Regierung oder aus Schuschniggs Partei. Mir war<br />

das Verwaltungsbüro unterstellt, und ich hatte mit der ein- und ausgehenden<br />

Post für den Kommandanten zu tun. Ich pflegte ihm die Post vorzulesen, und er<br />

gab mir seine Befehle, die ich dann an die verschiedenen Unterführer weitergab.<br />

Die Vollmachten der Kommandanten hinsichtlich der Bestrafung von<br />

Häftlingen waren nicht genau festgelegt, aber ich glaube, er konnte bis zu 21<br />

Tagen geben. Er war der einzige, der Disziplinargewalt hatte. Ich weiß die Zahl<br />

der Häftlinge nicht mehr, als ich aus dem Lager wegging, aber das Lager war voll.<br />

Die Gesamtbelegung wurde jeden Tag registriert, aber an die Zahl kann ich mich<br />

nicht mehr erinnern. Einige der Häftlinge wurden in andere Lager verlegt. Diese<br />

Verlegungen wurden nicht entsprechend der Art der Häftlinge vorgenommen,<br />

sondern nach der Art der Arbeiten, die wir getan haben wollten und nach<br />

Berufen. Als ich da war, wurden einige freigelassen. Ich weiß nicht mehr, ob es<br />

Politische oder andere Häftlinge waren, aber ich erinnere mich, daß ich an<br />

332

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!