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Aufstand in Ungarn

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Würde e<strong>in</strong>es Gutsherren erheben, den altväterlichen Kneifer schief auf denNasenrücken setzen, das K<strong>in</strong>n an die Brust drücken und e<strong>in</strong> umfangreichesManuskript hervorholen, von welchem er dann se<strong>in</strong>e Reformversprechenvorlas.Zuweilen nickt er nachdrücklich mit dem Kopf; Rákosi, der ihn mitf<strong>in</strong>steren Blicken von der ersten Sitzreihe, deren Ränge im Halbkreish<strong>in</strong>ter ihm ansteigen, anschaut, nickt nicht. Auch Gerö nicht, der nur zweiSchritte von ihm entfernt sitzt, das K<strong>in</strong>n <strong>in</strong> die Hand gestützt, währendse<strong>in</strong>e Augen ironisch funkeln. Der Plenarsaal ist mit Gemälden der großenhistorischen Ereignisse des Landes geschmückt. Am Ende der Regierungserklärunghat jedermann das Gefühl, Zeuge e<strong>in</strong>es historischenAugenblicks gewesen zu se<strong>in</strong>.Wer ist dieser Imre Nagy, dieser humorlose, pedantische Mann, dersich nun für kurze Zeit der Gunst Moskaus erfreuen kann? Hat er auch nurdie leiseste Ahnung, daß die Männer, zu denen er <strong>in</strong> diesem Hohen Hausspricht, ihn e<strong>in</strong>es Tages auf den Sch<strong>in</strong>derkarren schicken werden?Wahrsche<strong>in</strong>lich nicht. Befolgt er doch das vorgeschriebene Ritual so gutwie ke<strong>in</strong> anderer.Tatsächlich unterscheidet ihn nur wenig von se<strong>in</strong>em skrupellosenVorgänger. Am 21. Dezember 1954 wird er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Jubelrede aus Anlaßdes zehnten Jahrestages des Parlaments zynisch behaupten: »Wir habene<strong>in</strong> neues Land geschaffen und e<strong>in</strong> glückliches und freies Leben für se<strong>in</strong>eMenschen.« Er sagt dies zu e<strong>in</strong>er Zeit, wo noch immer überall im LandeTausende politischer Gefangener von Kard<strong>in</strong>al M<strong>in</strong>dszenty bis GyörgyMarosán <strong>in</strong> Zwangsarbeitslagern leiden.Und er erntet gehorsamen Beifall, als er ohne e<strong>in</strong>en Hauch bewußterIronie erklärt: »E<strong>in</strong> trauriges Kapitel, das sich nur zu oft im Laufe unsererGeschichte wiederholt hat, zeigt, daß fremde Unterdrückung jeglichenwirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt auf Generationen und manchmalsogar auf Jahrhunderte zurückwirft. Vor zehn Jahren, zum erstenmal<strong>in</strong> <strong>Ungarn</strong>s langer Geschichte, haben die D<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>e andere Wendegenommen: Denn die Sowjetarmee ist <strong>in</strong> unser Land nicht als Eroberer,135

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