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Aufstand in Ungarn

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Bedienstete verängstigt zusammen und horchen auf das Grölen derVolksmenge draußen. Ernö Pongrácz, der junge Arbeiter, hat vorgeschlagen,Imre Nagy anzurufen. Ferenc Erdei ist e<strong>in</strong>verstanden, dochdauert es e<strong>in</strong>ige Zeit, bis er die Nummer gefunden hat.»Hier ist Erdei«, entschuldigt sich der M<strong>in</strong>ister. »Ich b<strong>in</strong> unten imParlament, Onkel Imre; das Gebäude ist von Demonstranten belagert. Siewollen Sie hören!«Er schneidet e<strong>in</strong>e Grimasse. Aus Erdeis Gesichtausdruck kann manschließen, daß Nagy nicht zum Reden zu bewegen ist. Nagy hat nicht dieAbsicht, gerade jetzt se<strong>in</strong>en Kopf h<strong>in</strong>zuhalten.Die anfänglich euphorische Stimmung der Massen erschöpft sichrasch. Der stellvertretende M<strong>in</strong>isterpräsident József Mekis und FerencErdei versuchen, vom Balkon aus zur Menge zu sprechen. Ihre Wortegehen <strong>in</strong> Pfiffen und johlen unter. Pongrácz versucht es selbst, aber ihmgeht es auch nicht besser.E<strong>in</strong> Teil der Menge ruft jetzt: »Laßt uns alle zum Funkhaus gehen!«ÁÏDas sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n zu haben – Gerös Rundfunkrede wird baldbeg<strong>in</strong>nen, vielleicht bef<strong>in</strong>det sich der Parteiführer <strong>in</strong>nerhalb des Gebäudes.Solche langen Wartezeiten s<strong>in</strong>d während e<strong>in</strong>er Revolution verhängnisvoll.Die flüssige Masse Mensch unterliegt kaum merkbaren Veränderungen.Aber gerade aus e<strong>in</strong>em derartigen Schmelztiegel entsteht e<strong>in</strong>Volksaufstand. Dr. Paul Z<strong>in</strong>ner, Autor e<strong>in</strong>es Standardwerks National-Kommunismus und Volksrebellion nannte es verblüffend und fasz<strong>in</strong>ierend,daß es überhaupt zu e<strong>in</strong>em Volksaufstand gekommen ist. Er schrieb: »Eserschütterte e<strong>in</strong>en alten Mythos, wonach Revolutionen <strong>in</strong> totalitärenSystemen unmöglich seien.« Wie kann e<strong>in</strong> wehrloses Volk aufstehen unde<strong>in</strong>e herrschende Schicht stürzen, die gerade gegen diese Gefahrgewappnet ist und alle Druckmittel <strong>in</strong> Händen hält? Was an diesem Abendgeschieht, ist bestimmt nicht geplant, sondern völlig unvorbereitetentstanden. Und doch kommt es nicht von ungefähr.Es ist e<strong>in</strong>e beherrschte Menge. Weniger als e<strong>in</strong> Viertel davon s<strong>in</strong>dStudenten. Frauen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Uberzahl, die älteren unter ihnen fallen289

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