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Aufstand in Ungarn

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seidenen Taschentuch über die Stirn, wirft e<strong>in</strong>en Blick auf se<strong>in</strong>e goldeneSchaffhausener Armbanduhr und verfällt <strong>in</strong> Schweigen.Bis der Wagen hundert Meter vor dem Hauptportal des Parlamentshält, sagt niemand e<strong>in</strong> Wort mehr. Hier steht die Menge so dicht gedrängt,daß sie aussteigen und zu Fuß gehen müssen. Die beiden Männer geheneng an Nagys Seite. Andere drängeln und stoßen den Weg zum Tor frei:»Laßt sie durch! Es ist Imre Nagy! Er wird e<strong>in</strong>e Rede halten!«Die Bródy Sándor utca ist so eng, wie das Bohrloch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kanone,durch das der Funke auf das Schießpulver stößt; sie biegt von derHauptstraße, dem Múzeum körút, ab und verschw<strong>in</strong>det <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Labyr<strong>in</strong>thvon anderen H<strong>in</strong>tergassen.Hier gibt es e<strong>in</strong>ige heruntergekommene Geschäfte h<strong>in</strong>ter rostigenRolläden – e<strong>in</strong>en Friseur, e<strong>in</strong>en Sargladen und e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Schusterwerkstatt.Kaum zehn Meter breit von Mauer zu Mauer, gehört sie zu denStraßen, die Autofahrer zu meiden suchen.Rechts steht e<strong>in</strong> vierstöckiges Ziegelgebäude, dessen Stuck wie e<strong>in</strong>eSte<strong>in</strong>metzarbeit aussieht. Die Schiebefenster des Souterra<strong>in</strong>s und dieFenster im Parterre s<strong>in</strong>d mit Stahlgittern versehen. Das ist das Funkhaus,die Zentrale der nationalen Rundfunkanstalt.ËËNur wenige Menschen, die fünfundzwanzig Jahre später hier stehenbleibenund <strong>in</strong> der dunklen, drei Meter breiten Unterführung zum E<strong>in</strong>gangihren Ausweis hervorkramen, schauen zu dem Gedenkste<strong>in</strong> auf, der rechts<strong>in</strong> die Wand e<strong>in</strong>gelassen ist. Darauf steht e<strong>in</strong> Zitat von Petöfi und darunterdie Inschrift: »Zu Ehren der Helden, die bei der Verteidigung desFunkhauses am 23. Oktober 1956 ihr Leben für die Volksmacht ließen.«Als der Rundfunkreporter Péter Erdös durch diese Unterführung eilt,ahnt noch niemand der zweiundvierzig Leute, die auf dieser Tafelverzeichnet s<strong>in</strong>d, daß die Stunde der letzten Schlacht ihres Lebensgeschlagen hat.Auf der gegenüberliegenden Seite des viereckigen Hofes bef<strong>in</strong>det siche<strong>in</strong> pagodenartiges Gebäude, das den Rundfunkmitarbeitern als Cafeteriadient. Er eilt die Treppe zu den Direktionsräumen h<strong>in</strong>auf. Valéria Benkes293

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