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Aufstand in Ungarn

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Der junge Journalist Mátyás Sárközi war von se<strong>in</strong>em Chef IvánBoldizsár damit beauftragt worden, die Demonstrationen zu beobachten.ÈEr empfand die Atmosphäre <strong>in</strong> der Bródy utca bedrückend und stieg <strong>in</strong>e<strong>in</strong>e Wohnung im dritten Stock h<strong>in</strong>auf, von wo aus er e<strong>in</strong>en gutenÜberblick hatte. Gegen 20 Uhr schickte Boldizsár auch noch den dreiundzwanzigjährigenReporter István Vajda zur Bródy utca.Í Vajda besaße<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en grünen Opel Kadett mit dem Kennzeichen CA – 319, e<strong>in</strong>eLimous<strong>in</strong>e, die offensichtlich e<strong>in</strong>st zu Rommels Armee gehört hatte. ImWagen befand sich e<strong>in</strong> Schildchen mit der Aufschrift: »HeeresersatztruppenteilBenghasi.« Vajda parkte se<strong>in</strong>en Wagen so nahe wie möglicham Schauplatz des Tumults und g<strong>in</strong>g dann <strong>in</strong> das Gesundheitsamt an derEcke der Szentkirályi utca und Bródy utca. Er wies se<strong>in</strong>en Presseausweisvor und fragte die Diensthabende: »Darf ich Ihr Telephon benutzen? Wasist bisher geschehen?« Nervös stotterte die Frau: »E<strong>in</strong> Krach! E<strong>in</strong> Krach!«Dann gab Vajda se<strong>in</strong>em Vorgesetzten Boldizsár die erste Meldungdurch: »Es ist jetzt 20.10 Uhr, Chef. Die Straßen hier s<strong>in</strong>d voll vonMenschen, und vor dem Funkhaus ist e<strong>in</strong> Riesentumult.«»Paß gut auf!« sagte BoldizsárWenige Meter davon entfernt, im ersten Stockwerk, von dem aus manden Hof des Funkhauses überblicken konnte, er<strong>in</strong>nerte Valéria Benke dieMitarbeiter und Funktionäre <strong>in</strong> ihrem Büro daran, daß es jetzt Zeit sei, dieRundfunkrede Gerös anzuhören. Jemand stellte das Radio <strong>in</strong> der Ecke an.Honigsüß tröpfelte Gerös Stimme aus dem Lautsprecher. E<strong>in</strong>ige Leuteempfanden den Ton se<strong>in</strong>er Rede »recht entgegenkommend«.Î Für anderewar Gerös viertelstündige Rundfunkrede lediglich die marxistischePhrasendrescherei, die man schon hundertmal zuvor gehört hatte, ohnedaß sie <strong>in</strong>des Unruhen entfesselt hätte. Sie bestand aus den üblichens<strong>in</strong>nlosen Phrasen wie »Bündnis zwischen Arbeitern und Bauern« und»E<strong>in</strong>heit der Partei«. Tatsächlich erwähnte Gerö die »E<strong>in</strong>heit der Partei«nicht weniger als sechsmal <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Absatzes! An e<strong>in</strong>er Stelleverkündete er geheimnisvoll: »Wir führen e<strong>in</strong>en ständigen Kampf gegenChauv<strong>in</strong>ismus, Antisemitismus und alle anderen reaktionären antisozialen304

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