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Aufstand in Ungarn

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Achtzig bis neunzig Prozent aller verwundeten Rebellen, die <strong>in</strong> Krankenhäusernbehandelt wurden, waren Jungarbeiter, weniger als fünf ProzentStudenten.ÁÎ E<strong>in</strong> Gynäkologe <strong>in</strong> mittleren Jahren sagte zu se<strong>in</strong>er Frau <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em österreichischen Flüchtl<strong>in</strong>gslager: »Das s<strong>in</strong>d ja ganz furchtbareLeute hier – das, was wir ›proli‹ zu nennen pflegten,Lumpenproletariat.«ÁÏAuch nach dreitägigen Straßenkämpfen gibt es unter den Rebellennoch immer ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Führung, obgleich e<strong>in</strong>zelne Gruppen sichbereits zusammenschließen. Die Stal<strong>in</strong>isten hatten schon vor langer Zeitdie Opposition liquidiert, die meisten Antikommunisten von Bedeutungwaren längst <strong>in</strong>s Ausland geflüchtet. Es gab zahlreiche frühere politischeGefangene, aber diejenigen, die im Land geblieben waren, konnten sichnicht e<strong>in</strong>igen. Der Lastwagenfahrer Zoltán Benkö, e<strong>in</strong> früherer Insasse desKonzentrationslagers Recsk, g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Theater, wo e<strong>in</strong> Treffen frühererpolitischer Gefangener stattfand.ÁÌ »Die Szene auf der Bühne warunglaublich«, erzählte er später se<strong>in</strong>em Interviewer. »Die Leute ranntendurche<strong>in</strong>ander, rempelten e<strong>in</strong>ander an und rissen sich gegenseitig dasMikrophon aus der Hand . . . E<strong>in</strong> Freund griff zum Mikrophon, übergab esmir und verkündete, daß ich etwas zu sagen wünschte.« Benkö sah sichplötzlich zum Vorsitzenden gewählt. Se<strong>in</strong>e Aktivitäten führten zu nichts.Die <strong>in</strong>tellektuellen Reform-Kommunisten – Schriftsteller und Journalisten– spielten fast überhaupt ke<strong>in</strong>e Rolle bei der Führung des <strong>Aufstand</strong>s;sie waren die »Niemande« dieser Revolution. Sie waren lediglichSchreiberl<strong>in</strong>ge, die mit ihren Lobpreisungen Stal<strong>in</strong>s nur dazu beigetragenhatten, Ketten für ihre weniger gebildeten Landsleute zu schmieden. Eswaren die Redakteure, die durch ihre freiwillige Zensur geholfen hatten,auch die letzten Ventile der allgeme<strong>in</strong>en Unzufriedenheit zu verschließen,so daß e<strong>in</strong>e Explosion des ganzen kommunistischen Dampfkessels diee<strong>in</strong>zige Lösung war. Zwei Tage nach Beg<strong>in</strong>n des <strong>Aufstand</strong>s brachten diekommunistischen Schriftsteller und Intellektuellen ängstlich stotternd ihreEntrüstung zum Ausdruck, aber ihr kümmerlicher Protest wurde von denunbesungenen, e<strong>in</strong>fachen und vergessenen Menschen zunichte gemacht,die aus der dunklen Anonymität der Gefängnisse aufgetaucht waren, um462

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