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Aufstand in Ungarn

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kräfte, die sich <strong>in</strong> der Literatur manifestieren.«E<strong>in</strong>ige Schriftsteller fürchteten, daß ihre Verhaftung unmittelbarbevorstand. Losonczy und Aczél fuhren an jenem Morgen nach Visegrád,um Zoltán Zelk und László Benjám<strong>in</strong> abzuholen.Benjám<strong>in</strong> hatte e<strong>in</strong>e Rede entworfen, aber se<strong>in</strong>e Nerven waren völligkaputt. »Ich kann nicht kommen! Nimm du me<strong>in</strong>e Rede«, bat er, »und liesdu sie!« Aczél warf e<strong>in</strong>en Blick darauf, las, daß von Rákosi und se<strong>in</strong>er»Mörderbande« die Rede war, und entschied nach kurzer Überlegung, sienicht vorzutragen.Als sie sich dem Gewerkschaftshaus näherten, sahen sie, daß zahlloseFunktionärslimous<strong>in</strong>en davorstanden, die zweitausend Wagen des»Proletariats« von Groß-Budapest. E<strong>in</strong>er von der Leibwache Rákosis warfihnen die gedruckte Tagesordnung zu. Auf halbem Wege nach dr<strong>in</strong>nenentdeckte Háy se<strong>in</strong>en eigenen Namen <strong>in</strong> großen Lettern: »Gyula Háyschlägt Kapital aus der Idee der Literaturfreiheit.« Aczél ergriff se<strong>in</strong>enArm und murmelte: »Gyuszi, wir kriegen Ärger.«Fünf andere Schriftsteller hatten ebenfalls die Ehre, ihre Namen <strong>in</strong>fettgedruckter Schrift zu lesen. In der Resolution wurden sie wegen»Rechtsabweichungen <strong>in</strong> der Literatur« verurteilt und als »Bannerträgerder Staatsfe<strong>in</strong>de« angeprangert.ÈÈBéla Szalai, e<strong>in</strong> großes, blondes Politbüromitglied mit fleischigenZügen, gab den Anstoß; die anderen Funktionäre gaben den Ball weiter.Das Publikum war fe<strong>in</strong>dselig und nervös. Aczél beschloß, se<strong>in</strong>e Rede<strong>in</strong> der Tasche zu lassen. Háy wartete, ob e<strong>in</strong>er der anderen Schriftstellerreden würde, aber da niemand es tat, g<strong>in</strong>g er unsicheren Schrittes zumPodium. Aber er kam nicht weiter als »Genossen . . . « zu sagen, da hatteRákosi ihn bereits von der Rednertribüne verscheucht.»Genossen, sagt er!«Wie der Spielleiter e<strong>in</strong>er Fernsehshow dirigierte er durch kaumsichtbares Zucken der Augenbrauen alle Pfiffe und Pfuirufe, die er vondem wütenden Publikum brauchte, und als die Schriftsteller schließlichdavonschlichen, wurden sie wiederum von Pfiffen und Rufen begleitet:»Seht nur, Genossen, sie türmen!«200

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