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Aufstand in Ungarn

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schreiber. »SOS. Die Russen s<strong>in</strong>d zu nahe.«ËÁDie Besetzung des Parlaments durch die Sowjets g<strong>in</strong>g sehr zivilisiertvor sich. Gewalt wurde nicht angewendet. Politiker und Funktionäre, diesich irgendwo im Gebäude versteckt hatten, schneiten here<strong>in</strong>. Die Russenbefahlen den Soldaten und der Polizei, die Waffen niederzulegen, undforderten die Zivilisten auf, nach Hause zu gehen. Tildy g<strong>in</strong>g umher undverabschiedete sich. Ohne sich an irgend jemand Bestimmten zu wenden,verkündete er: »Ich gehe <strong>in</strong> den Tod!« Als die Gruppe auf verschiedenenWegen zum Ausgangsportal strebte, hörte man, wie die russischen Panzerrasselnd und quietschend vor dem Parlamentsgebäude anhielten. SándorRónai stieß hervor: »Jetzt muß ich euch alle verlassen.«ËË Gyula Háyfragte sich, was Rónai wohl so dr<strong>in</strong>gend zu erledigen habe.Während sie an russischen Soldaten vorbeig<strong>in</strong>gen, die mit ausdruckslosenGesichtern <strong>in</strong> den Korridoren standen, blieb e<strong>in</strong> Mann zurück, derfest entschlossen war, daß »die Regierung an ihrem Platz bleiben sollte«,gleichgültig, was Tildy entschieden hatte: Es war der Staatsm<strong>in</strong>isterProfessor Bibó. Draußen erschien <strong>in</strong> diesem Augenblick Béla Kovács.Tildy erklärte ihm: »Ich habe mit den Russen e<strong>in</strong>e Übergabe vere<strong>in</strong>bart.Aber Staatsm<strong>in</strong>ister Bibó weigert sich zu gehen. Er ist oben – gehen Sieh<strong>in</strong>auf und telephonieren Sie mit ihm, daß er das Haus verlassen soll.«Professor Bibó nahm jetzt von niemandem mehr Befehle entgegen.Se<strong>in</strong> Blut war <strong>in</strong> Wallung geraten. Er saß ganz alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Tildys Sekretariat,e<strong>in</strong>em luxuriösen Drei-Zimmer-Appartement. Er wollte se<strong>in</strong>e eigene,persönliche Demonstration veranstalten. Da es ihm niemals an romantischerPhantasie mangelte, hatte er se<strong>in</strong> wahrsche<strong>in</strong>liches Schicksal schonvorausgesehen: Ich werde <strong>in</strong> diesem großen Sessel sitzen, wenn dieRussen kommen. Sie werden mich h<strong>in</strong>auszerren, aber ich werde nichtfreiwillig gehen. Dann wird es wahrsche<strong>in</strong>lich zu e<strong>in</strong>em Handgemengekommen, ich werde gewaltsam vertrieben werden. Se<strong>in</strong> Privattelephonläutete – es war Béla Kovács. Nichts konnte ihn zum Gehen veranlassen.Bibó sagte: »Wenn die Russen gegen mich vorgehen, werde ich derganzen Welt demonstrieren, daß Gewalt angewendet worden ist, umunsere unabhängige Regierung zu zerschlagen.«697

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