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Aufstand in Ungarn

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Gyula Háy, e<strong>in</strong> untersetzter, kahlköpfiger Bühnenautor, der um dieJahrhundertwende geboren wurde, hat den größten Teil se<strong>in</strong>es Lebens imExil <strong>in</strong> Deutschland und Moskau verbracht, wenn er nicht gerade wegense<strong>in</strong>er politischen Betätigung im Gefängnis war. Er saß neben Rákosi <strong>in</strong>dem Zug, der die führenden Funktionäre der Kom<strong>in</strong>tern im Oktober 1941aus Moskau evakuierte, und er sprach 1944 im Moskauer Rundfunk fürRákosi Zehn Jahre lang trägt er denselben stahlblauen Pullover mitReißverschluß und denselben dunkelblauen W<strong>in</strong>termantel. Er spricht mitklarer Stimme und sparsamen, knappen Gesten, aber se<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>en,blanken Augen unter den buschigen Brauen sehen se<strong>in</strong>en Gesprächspartnernicht an.Jahrelang wollte auch er sich nicht festlegen, versuchte er zu»kneifen«: Wenn er die Schrecken des Rákosi-Systems verurteilte, mußteer se<strong>in</strong> eigenes Lebenswerk ebenfalls verurteilen. Háy hat e<strong>in</strong> Stückgeschrieben, das so anti-westliche Töne anschlägt, daß selbst JózsefRévai, der schärfste Stal<strong>in</strong>ist unter Rákosis Genossen, es übertriebenf<strong>in</strong>det.Im Frühjahr 1952 legt e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Studenten an der Theater- undFilmakademie e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>aktige Komödie vor, <strong>in</strong> der e<strong>in</strong> unansehnliches,ängstliches weibliches Wesen se<strong>in</strong>e Stellung benutzt, um sich Männernverkuppeln zu lassen. Háy staucht den jungen Mann zusammen, er istempört, daß jemand so verächtlich von e<strong>in</strong>er kommunistischen Parteisekretär<strong>in</strong>zu sprechen wagt. Bis 1953 ist Háy e<strong>in</strong> bl<strong>in</strong>d ergebenerKommunist. Erst dann erkennt er das Böse, das dem System <strong>in</strong>newohnt.Der Geist all dieser großen Schriftsteller war unfrei. Sie hatten sichselbst den Glauben e<strong>in</strong>geredet, daß sozialistische Autoren so schreibenmüßten, wie sie es taten. Niemand hatte den harmlosen, friedfertigenDichter Zoltán Zelk beauftragt, se<strong>in</strong> Gedicht auf Stal<strong>in</strong> zu schreiben; aberZelks Freunde er<strong>in</strong>nern sich, daß er sie anrief, wenn er e<strong>in</strong>e besondersgelungene Zeile geschrieben hatte, um sie ihnen vorzulesen. Späterbereute Zelk, <strong>in</strong>dem er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gedicht bekannte: »Ich war zu feige, umunanständig zu se<strong>in</strong>.«Ó1954 war die Atmosphäre vergiftet von der st<strong>in</strong>kenden Gefängnisluft154

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