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Aufstand in Ungarn

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In Budapest herrschte jetzt, nachdem die ÁVH verschwunden war, derMob. Es war, als sei die letzte Ausgabe von Freies Volk nie gedrucktworden. Obgleich auf dem Titelblatt das alte Kossuth-Wappen prangte,das offiziell als nationales Wahrzeichen wieder e<strong>in</strong>geführt worden war,blieb die Öffentlichkeit mißtrauisch: Die Zeitung war immer noch dasOrgan des Zentralkomitees. E<strong>in</strong> sowjetischer Schützenpanzer mußte dieZeitung verteilen. Passanten stürzten sich auf die Zeitungsbündel undrissen sie <strong>in</strong> tausend Stücke. »Lest nicht diesen Mist«, rief e<strong>in</strong> jungerMann. »Alles, was die Kommunisten drucken, dient nur den Russen.« –»Darum müssen ihre Soldaten es auch verteilen«, me<strong>in</strong>te e<strong>in</strong> anderer.ËÌAuf dem nahe gelegenen Lujza Blaha tér erschien plötzlich e<strong>in</strong>Lastwagen mit Masch<strong>in</strong>engewehren, e<strong>in</strong>e bewaffnete Menge drang <strong>in</strong> dasGebäude von Freies Volk e<strong>in</strong>. Die Partisanen zogen ihre Stiefel undDrillichanzüge aus, zerrissen ihre Partisanenausweise und mischten sichunter die auf den Gängen umherirrenden Leute. Die wenigen zurückgebliebenenFunktionäre entschuldigten sich: »Wir müssen mit derParteizentrale telephonieren« – sie verschwanden. Nur zwei stämmigeArbeiter traten, Schraubenschlüssel schw<strong>in</strong>gend, den E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>genentgegen.Die ersten Pistolenschüsse fielen. Doch da stieg e<strong>in</strong> Mitarbeiter vonFreies Volk, e<strong>in</strong> siebenundzwanzig Jahre alter jüdischer ehemaligerFabrikarbeiterËÓ, auf die Treppenstufen und rief mit lauter Stimme: »Wirs<strong>in</strong>d hier Journalisten, die unterschiedliche Grundsätze vertreten. Wirhaben zehn Jahre lang gelogen. Ich habe gelogen, me<strong>in</strong> Kollege hier hatgelogen!« – und dabei deutete er mit dem Schraubenschlüssel auf e<strong>in</strong>enwenig erfreuten Herrn Szatmáry – »aber wir werden nie wieder lügen.«Man hörte Stimmen: »Erschießt sie, wir wollen nicht wieder zumNarren gehalten werden.« Aber andere riefen: »Schreibt was das Volkwill!« Die Rebellen flüsterten mite<strong>in</strong>ander, dann senkten sie die Waffen,und ihr Anführer, der möglicherweise Dudás war, trat vor und küßte denRedner spontan auf beide Wangen. »In Ordnung«, sagte er lächelnd. »Dumachst e<strong>in</strong>e Zeitung. Aber sorge dafür, daß sie gut wird.«531

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