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Edition Rechtsextremismus

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110 Matthias Quent<br />

mehr rechtsextremistische Einstellungen im Osten gemessen (Stöss, 2000, S. 30).<br />

Die repräsentativen Erhebungen der Leipziger Forschungsgruppe um Elmar Brähler<br />

und Oliver Decker weisen in den Jahren 2002, 2004 und 2006 höhere Prozentwerte<br />

von Befragten mit „geschlossenem rechtsextremen Weltbild“ in den<br />

westlichen Bundesländern gegenüber den östlichen aus (Decker, Kiess & Brähler,<br />

2012, S. 54). Zuletzt wussten die Autoren zu berichten, dass die „Häu gkeit von<br />

Menschen mit geschlossenem rechtsextremen Weltbild […] sich 2014 nicht signikant<br />

zwischen Ost- und Westdeutschland [unterscheidet]“ (Decker, Kiess &<br />

Brähler, 2014, S. 57). Empirisch gesicherte Unterschiede lassen sich wiederholt vor<br />

allem hinsichtlich der deutlich höheren Ausländerfeindlichkeit in Ostdeutschland<br />

beobachten (ebd., S. 61).<br />

Der Exkurs zeigt, dass der <strong>Rechtsextremismus</strong> auch nach 1990 weder im Wahlverhalten<br />

noch auf der Ebene der Einstellungen eine originär ostdeutsche Erscheinung<br />

ist. Dennoch bestehen ostdeutsche Besonderheiten.<br />

Differenzierung ist vonnöten<br />

Die eingangs zitierten Aussagen zum <strong>Rechtsextremismus</strong> als Folgeerscheinung<br />

der DDR-Sozialisation sind symptomatisch für viele häug zu kurz greifende Zuordnungen<br />

und Interpretationen. Sie repräsentieren den Versuch, Ursachen von<br />

<strong>Rechtsextremismus</strong> und rassistischer Gewalt unter dem Vorsatz der Aufarbeitung<br />

zu historisieren bzw. die Verantwortung dafür einem überlebten Gesellschaftssystem<br />

zuzuschreiben. Welchen Erklärungswert hat die These vom kausalen Zusammenhang<br />

von DDR-Diktatur und Naziterror für die Genese des NSU, des modernen<br />

<strong>Rechtsextremismus</strong> und für die Beschaffenheit des gegenwärtigen Diskurses<br />

tatsächlich?<br />

Differenzierung ist vonnöten. Wendeerfahrungen und -folgen, wie „politische<br />

Umwälzung“ und „Schulreform“, die unter anderen von der Mutter des NSU-Terroristen<br />

Böhnhardt als Ursachen für die Radikalisierung ihres Sprösslings verantwortlich<br />

gemacht werden (zitiert in: Debes, 2013), liegen nicht in der Beschaffenheit<br />

des diktatorischen Systems der DDR begründet. Vielmehr sind sie Ausdruck<br />

gesellschaftlicher Transformationsprozesse und der damit einhergehenden Verunsicherungen.<br />

Deren Auswirkungen auf die Gesellschaftsmitglieder hängen nicht<br />

primär mit der vorherigen Verfasstheit einer (Teil-)Gesellschaft zusammen, sondern<br />

mit den sozioökonomischen Rahmenbedingungen, der Steuerung, Moderation<br />

und Anerkennung des Wandels und des neuen Systems. Empirisch messbar<br />

verschob sich die übergroße <strong>Rechtsextremismus</strong>belastung in den Mentalitäten der<br />

Bevölkerung erst dann in die neuen Länder, als klar wurde, dass die von Hel-

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