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Edition Rechtsextremismus

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Prozesse und Strukturen der Verfassungsschutzämter nach dem NSU<br />

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der Abteilungen Rechts- und Linksextremismus rückgängig gemacht, so dass der Bereich<br />

<strong>Rechtsextremismus</strong> nun wieder einen eigenständigen Bereich bildet. Der Bereich<br />

Linksextremismus bildet jetzt mit dem sog. „Ausländerextremismus“ eine eigene Abteilung,<br />

die als eine Art organisatorische Resterampe derjenigen Phänomenbereiche<br />

anmutet, denen gegenwärtig eine niedrige (politische) Bedeutung zugemessen wird.<br />

Eine ähnliche strukturelle Entwicklung hat sich in der Abt. Verfassungsschutz in<br />

NRW vollzogen. Doch wie sieht es darüber hinaus mit einer Reform aus?<br />

Eine Presseinformation des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 22. Februar<br />

2013 zum Projekt „Reform des Verfassungsschutzes“ liest sich in diesem Zusammenhang<br />

wie ein Dokument der Hil osigkeit. Circa 15 Monate nach Entdeckung<br />

des NSU wird ein Projekt vorgestellt, „um das BfV für neue Herausforderungen<br />

angemessen aufzustellen“ (Bundesamt für Verfassungsschutz, 2013). Schon der Verlauf<br />

der Umsetzung ist als amtstypisch zu bezeichnen: Der Projektstart erfolgte am<br />

3. September 2012 (zehn Monate nach NSU); das Reformkonzept wurde nach weiteren<br />

fünf Monaten am 1. Februar 2013 vom BMI gebilligt; am 22. Februar 2013 startete<br />

die Umsetzungsphase. Kernthema dieser Reform ist denn auch keine personelle<br />

Verstärkung, wie es mit der massenhaften Einstellung von Fachwissenschaftlern und<br />

Fachwissenschaftlerinnen nach dem 11. September 2001 geschehen war, sondern<br />

eine nicht näher bezeichnete „Konzentration auf das Wesentliche“ bzw. eine „Neupriorisierung“<br />

mit dem Ziel, sich vor allem um gewaltorientierte Extremisten zu<br />

kümmern. Obwohl sicher gut gemeint, gewährt ein weiterer geplanter Reformschritt<br />

einen tiefen Einblick in das typische Dilemma nahezu aller Verfassungsschutzämter:<br />

„Um eine stärkere Anbindung der Arbeit des BfV an gesellschaftliche Entwicklungen<br />

zu gewährleisten, soll ein entsprechender Beirat eingerichtet werden.“ (vgl.<br />

Bundesamt für Verfassungsschutz, 2013). Wie die Arbeit bislang losgelöst von gesellschaftlichen<br />

Entwicklungen überhaupt statt nden konnte, ist erstaunlich, aber<br />

doch systemimmanent. In den 14 „Arbeitspaketen“, die in einer gewaltigen Struktur<br />

mit vier Hierarchiestufen und eigener Geschäftsstelle zu erledigen sind, dreht sich<br />

denn auch lediglich das Paket 8 um wissenschaftliche Expertise (vgl. Abb.1).<br />

In Ministerien ndet allgemein – wenig überraschend – kein „herrschaftsfreier<br />

Diskurs“ à la Jürgen Habermas statt. „Demgemäss hängt das Schicksal von vorgeschlagenen<br />

Erneuerungen und Veränderungen mehr von der Einsicht der Vorgesetzten<br />

denn der Qualität der Argumente ab. Dessen eigene Handlungsoptionen<br />

gelten aber in solchen hierarchischen Strukturen selbst als begrenzt, ist er doch –<br />

eine Formulierung des Althistorikers Christian Meier aus einem ganz anderen Zusammenhang<br />

nutzend – allenfalls Herr in den Verhältnissen und nicht Herr über<br />

die Verhältnisse“ (Pfahl-Traughber, 2010, S. 27). Doch wer ist denn nun in den<br />

Ämtern für Verfassungsschutz – abgesehen von den schon erwähnten Ministern –<br />

Herr in den Verhältnissen und wer ist Herr über die Verhältnisse?

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