05.01.2016 Views

Edition Rechtsextremismus

75dwIuZct

75dwIuZct

SHOW MORE
SHOW LESS

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

408 Franziska Schmidtke<br />

Wirkmächtigkeit wohnt aber zugleich einer begrif iche Unsicherheit inne, die es<br />

zwingend notwendig werden lässt, das jeweilige Konzept hinter dem Begriff genauer<br />

darzustellen. Bevor Ausdifferenzierungen und theoretisch-konzeptionelle<br />

Bezugnahmen der Programme in den Vordergrund treten, führen die folgenden<br />

Sätze kurz in die sozialwissenschaftliche Begriffsdebatte ein, die die Unschärfe<br />

des Begriffs verdeutlicht und einordnet.<br />

<strong>Rechtsextremismus</strong> ist in seiner begrif ichen Genese eng an das Konzept des<br />

Extremismus gebunden, welches in den 1960er Jahre Gegenstand politikwissenschaftlicher<br />

Deutungen wurde und sich durch seine Gegnerschaft zum demokratischen<br />

Verfassungsstaat auszeichnet (vgl. Backes, 1989; Kowalsky, 1993).<br />

<strong>Rechtsextremismus</strong> wurde so zunächst ein politischer Begriff, der fortan in Verfassungsschutzberichten<br />

auftauchte und eben solche Bestrebungen beschrieb, die<br />

sich gegen die verfasste Demokratie richten. Ende der 1980er Jahre erschienen eine<br />

Reihe von soziologischen Begriffskritiken- und deutungen, die vor allem Ursachen<br />

des Phänomens fokussierten. Heitmeyer (1992), Friedrich (1992) und andere (etwa<br />

Jaschke, 1994; Melzer & Schubarth 1995; Pilz, 1994) griffen den Kern des Extremismuskonzepts<br />

an, da in den sozialwissenschaftlichen De nitionsvorschlägen<br />

nicht die organisatorisch aufgefangene und kanalisierte Feindlichkeit zu einem<br />

politischen System im Vordergrund stand – sondern individuelle Einstellungen<br />

im sozialen Kontext. Ein weiterer Angriffspunkt ist die dem Extremismuskonzept<br />

inhärente Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus. Bis heute ist dieser<br />

Konikt im Grunde nicht aufgelöst. Durchgesetzt hat sich aber zumindest eine<br />

dimensionale Unterscheidung, die es ermöglicht rechtsextreme Einstellungen von<br />

entsprechenden Verhaltensweisen grundsätzlich zu unterscheiden. Die zahlreichen<br />

empirischen Studien, die seit Beginn der 2000er Jahre die Verbreitung von rechtsextremen<br />

Einstellungen in der Bevölkerung verdeutlicht haben, ließen auch das<br />

Begriffsverständnis des <strong>Rechtsextremismus</strong> von seiner politikwissenschaftlich geleiteten<br />

Verengung auf organisierte Formen wie Parteien, Vereine und Bürgerinitiativen<br />

wegrücken. 5 Studien, die rechtsextreme Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft<br />

6 nachwiesen, unterstützten diese Bedeutungsverschiebungen. Während<br />

5 Dazu zählt das Projekt der Deutschen Zustände (Heitmeyer, 2002 bis 2012), welches<br />

von 2003 bis 2013 jährlich Einstellungen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit<br />

maß, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebenen und im zweijährlichen<br />

Modus abgefragten, sogenannte „Mitte-Studien“, sowie einige Regionalstudien<br />

wie der Thüringen-Monitor und eingeschränkt auch der Sachsen-Anhalt-Monitor.<br />

6 Wiederholt kritisiert wurde zugleich die Operationalisierung einer gesellschaftlichen<br />

Mitte. Unabhängig von diesen Unschärfen aber, zeigten die Studien einhellig wie<br />

rechtsextreme Einstellungen in allen Teilen der Bevölkerung vorhanden sind und auch<br />

aus diesem Grunde eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung darstellen.

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!