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Edition Rechtsextremismus

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Prozesse und Strukturen der Verfassungsschutzämter nach dem NSU<br />

271<br />

Dieser eklatante Mangel an sozialwissenschaftlicher Analysekompetenz in den<br />

Verfassungsschutzämtern wird seit langer Zeit beklagt (vgl. Grumke & Pfahl-<br />

Traughber, 2010) und auch in den Ämtern diskutiert. <strong>Rechtsextremismus</strong> wird<br />

jedoch, anders als Islamismus, in vielen Behörden nicht als komplexe gesellschaftliche<br />

Aufgabe verstanden, da hier z. B. keine Fremdsprachenkenntnisse nötig sind.<br />

Wie aber der Fall NSU zeigt, kommt es auf analytische Details an. So kann die<br />

Abwesenheit von Bekennerschreiben nicht verstanden werden, wenn Konzepte des<br />

internationalen <strong>Rechtsextremismus</strong> wie leaderless resistance (vgl. Grumke, 1999)<br />

unbekannt sind. Die für den <strong>Rechtsextremismus</strong> im 21. Jahrhundert entscheidenden<br />

Gebiete der neuen Medien (Internet, soziale Netzwerke etc.) und der Musik<br />

werden zu oft mit Instrumenten und einem Ausbildungsstand des 20. Jahrhunderts<br />

bearbeitet.<br />

Hinzu kommt, dass oftmals die zuständigen Sachbearbeiter nicht dazu ausgebildet<br />

sind noch dazu im hierarchischen Ablauf dazu angehalten werden, die<br />

richtigen Fragen zu stellen. Komplexe Speicherrichtlinien und zum Teil wenig<br />

nutzerfreundliche Speichersoftware tun ihr Übriges, dass Daten heute ebenso unanalysiert<br />

und unverknüpft verbleiben wie früher in den staubigen Registraturen.<br />

Modernes Wissensmanagement weiß: Speichern Wissen Verstehen! Das Speichern<br />

von Bedeutung ist eben nicht möglich und so kommt es auf die analytische<br />

Leistung aller Personen an, die in den Verfassungsschutzbehörden mit Auswertung<br />

zu tun haben.<br />

Doch auch wenn Erkenntnisse irgendwo in der Behörde vorhanden sind, dann<br />

ist entscheidend wo, wer sie mit einem aktuellen Sachverhalt zusammenführt und<br />

vor allem, ob die Führungsebene und die Arbeitsebene hieran gemeinsam arbeiten.<br />

Es gilt, den entscheidenden Schritt über die Verwaltung von Informationen hinaus<br />

zur Analyse von Informationen zu gehen (vgl. Pfahl-Traughber, 2010, S. 25).<br />

Nur so ist zu erklären, dass der Staatssekretär im BMI Klaus-Dieter Fritsche noch<br />

am 11. August 2011 auf die schriftliche Frage der Abgeordneten Jelpke: „Ist die<br />

Bundesregierung nach den Anschlägen in Norwegen bereit, die Ausrichtung der<br />

Arbeit des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) neu zu überdenken<br />

und die ausschließliche Konzentration auf „islamistischen Terrorismus“ aufzugeben<br />

folgendes antwortete: „Abgesehen vom islamistischen Terrorismus gibt<br />

es derzeit keine Personen(gruppen), die terroristische Ziele in Deutschland aktiv<br />

vertreten und verfolgen“ (Drs. 17/6812). Fritsche ist seit Januar 2014 Staatssekretär<br />

im Bundeskanzleramt und Beauftragter für die Nachrichtendienste des Bundes. 5<br />

5 Vgl. http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Biographien/biographie-klaus-dieter-fritsche.html.

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