05.01.2016 Views

Edition Rechtsextremismus

75dwIuZct

75dwIuZct

SHOW MORE
SHOW LESS

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

196 Stefan Heerdegen<br />

Zeiten der Roten-Armee-Fraktion öffentliche Bekennerschreiben. Hier zeigt sich<br />

eine bräsige Haltung der deutschen Mehrheitsgesellschaft, die sich nicht vorzustellen<br />

vermag, dass die Taten des NSU durchaus ihre öffentliche Wirkung innerhalb<br />

der Migrant/innen-Communities 1 hatten. Dabei handelt es sich bei den Taten des<br />

NSU im Grunde um die konsequente Umsetzung ihrer extrem rechten Ideologie<br />

(Gensing, 2012, S. 21ff). Andere wiederum wollten gern bestätigt bekommen, dass<br />

es sich bei den ans Licht gekommenen Taten des NSU um eine neue, bisher nicht<br />

gekannte Qualität extrem rechter Gewalt handelte, die weder die Öffentlichkeit,<br />

noch staatliche Behörden so hätten ahnen können. Die NSU-Morde und -Anschläge<br />

weisen tatsächlich ihre eigenen Spezika auf. Die Mobile Beratung in Thüringen<br />

bemüht sich seit jenen Tagen in vielen Interviews deutlich zu machen, dass, bei<br />

Kenntnis extrem rechter Ideologie, diese Taten tatsächlich nicht überraschen durften.<br />

Der vorliegende Beitrag setzt die Taten des NSU mit der extrem rechten Szene<br />

insbesondere in Thüringen in Beziehung. Vor dem Hintergrund von ideologischer<br />

Radikalität und praktischer Militanz behalten die Taten des NSU zwar ihre eigene<br />

erschreckende Kontur, heben sich jedoch weitaus weniger vom gesellschaftlichen<br />

Bild des aktuellen Neonazismus ab als oftmals angenommen. Sowenig mit der<br />

Aufarbeitung des NSU-Komplexes Befasste an eine autonom arbeitende, exklusive<br />

Zelle ohne Unterstützungsnetzwerk glauben (vgl. König & Haushold, 2014;<br />

Oppermann, Hartmann & Högl, 2012), sowenig kann die terroristische Struktur<br />

NSU ohne Beziehung zur neonazistischen Szene in Thüringen, im gesamten Bundesgebiet<br />

und zur internationalen Neonaziszene betrachtet werden.<br />

2 Demokratiefeindlich, radikal und militant –<br />

die Neonaziszene in Thüringen<br />

Während die Täter/innen des NSU im Geheimen mutmaßlich ihre Anschläge und<br />

Morde begingen, trat die Thüringer Neonaziszene öffentlich demokratiefeindlich<br />

und menschenverachtend in Erscheinung.<br />

Durch die 2000er Jahre hindurch fand in Thüringen jährlich eine Vielzahl von<br />

Demonstrationen und Kundgebungen statt, bei denen auf den Transparenten der<br />

unterschiedlichen beteiligten Gruppen, aber auch in den Redebeiträgen, immer<br />

wieder die grundsätzliche Gegnerschaft zum „System“ bekundet wurde (vgl. Abbildung<br />

1). Hierbei bildeten in Parteien organisierte und parteiunabhängig agie-<br />

1 Beispielsweise berichten Opfer des Bombenanschlags in der Kölner Keupstraße 2004,<br />

dass sie gegenüber den polizeilichen Ermittlern aussagten, dass sie die Täter/innen in<br />

Neonazi-Kreisen vermuten (Kölnische Rundschau, 2014).

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!