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Edition Rechtsextremismus

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140 Kurt Möller<br />

Eine etwas genauere Wähleranalyse lässt zudem erkennen, dass es – anders<br />

als zu Zeiten der Gründung der Republik und auch noch in der zweiten Hälfte der<br />

1960er Jahre – längst nicht mehr die sog. „Ewiggestrigen“ sind, die die Problematik<br />

tragen. Stärkste Wählergruppierung der extremen Rechten sind inzwischen<br />

vielmehr junge Leute – größtenteils solche, die nicht mehr im Nationalsozialismus,<br />

aber auch nicht mehr zu Zeiten der Existenz der DDR politisch sozialisiert<br />

worden sind. Zwei Drittel von ihnen sind männlich. Die Dimension der Problematik<br />

und ihre Folgen für die Zukunft der repräsentativen Demokratie werden vor<br />

allem deutlich, wenn man erkennt: Hätten z. B. bei den letzten Landtagswahlen in<br />

Ostdeutschland nur die jungen Männer zwischen 18 und 24 Jahren wählen dürfen,<br />

hätte die NPD überall etwa den drei- bis vierfachen prozentualen Stimmerfolg<br />

einfahren können und dort vielfach deutlich den (z. T. knapp verpassten) Einzug in<br />

die Landtage geschafft.<br />

Wer rechtsextrem wählt, muss nicht unbedingt in rechtsextreme Kreise involviert<br />

sein oder rechtsextrem konturierte Kriminalität begangen haben. Obwohl<br />

aus wissenschaftlicher Sicht zu Recht erhebliche methodische Bedenken gegen die<br />

Datenerhebungsmethoden polizeilicher Stellen und gegen die Rechercheweisen<br />

des Verfassungsschutzes und damit auch ihre Resultate geltend gemacht werden<br />

können, ist in Ermangelung vergleichbarer (Langzeit-)Studien mit wissenschaftlichen<br />

Standards hier in Hinsicht auf das rechtsextreme Personenpotenzial und das<br />

Aufkommen an Straf- und Gewalttaten, die als Verdachtsfälle von extrem rechter<br />

Kriminalität berichtet werden, Folgendes festzuhalten:<br />

Das rechtsextreme Personenpotenzial (2) nimmt nach einem vorübergehenden<br />

Anstieg auf einen Höchstwert im Jahre 1993, einer folgenden leichten Abschwächung<br />

und einem Wiederanstieg bis 1998 kontinuierlich ab (vgl. Abbildung 2). Relativ<br />

besonders stark trifft der Abschwung die rechtsextremen Parteien. Zugleich<br />

kommen jedoch zunehmend neue Organisationsformen auf: szeneförmige Zusammenschlüsse<br />

von Neonazis und (subkulturell) Gewaltbereiten, etwa in Gestalt von<br />

sog. „freien Kameradschaften“ oder „autonomen Nationalisten“. Zusammen mit<br />

der in den letzten Jahren beobachtbaren Bündelung parteigebundener bzw. parteinaher<br />

Kräfte in der NPD sind sie für eine qualitative Verschiebung im rechtsextremen<br />

Personen- und Organisationsspektrum verantwortlich zu machen, die Bagatellisierungs-<br />

und Entdramatisierungseinschätzungen, die auf den quantitativen<br />

Niedergang des rechtsextremen Personen- und Organisationspotenzials verweisen,<br />

entgegensteht: die Zunahme von Gewaltbereitschaft, die sich nicht allein an vereinzelten<br />

Aktionen und Straftaten, etwa bei der Mordserie des sog. „Nationalsozialistischen<br />

Untergrunds“ zeigt. Vielmehr wird sie inzwischen bei rund 45% der<br />

extrem Rechten festgestellt. Der Löwenanteil (rund 75%-90%, je nach Szene bzw.<br />

Organisation und Funktionsniveau unterschiedlich) des rechtsextremen Personen-

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