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Edition Rechtsextremismus

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Wolfgang Frindte et al.<br />

Als Folge werden Vereinzelungs-, Ohnmachts- und Handlungsunsicherheitserfahrungen<br />

beschrieben, die einer Orientierung an nationalen Kategorien Vorschub<br />

leisten. Dies betrifft nach Heitmeyer vor allem diejenigen, denen der Übergang zu<br />

einer autonomieorientierten Identität nicht gelingt, „weil sie nicht in ausreichendem<br />

Maße Ressourcen und Bezugspunkte der Identitätsbildung zur Verfügung<br />

haben“ (Heitmeyer et al., 1992, S. 32).<br />

Kritik an der Desintegrationstheorie: Nach anfänglicher Euphorie und umfangreicher<br />

Rezeption gerieten in den 1990er Jahren sowohl die Heitmeyersche<br />

<strong>Rechtsextremismus</strong>-Denition als auch der von ihm und Kollegen vorgelegte Erklärungsansatz<br />

in die Kritik (z. B. Bommes & Scherr, 1992; Eckert & Willems,<br />

1996; König, 1997, 1998; Pfahl-Traughber, 1998; Scherr, 1996; Schumann &<br />

Winkler, 1997; Winkler, 1996). Diese Kritik bezog sich auf die zu wenig differenzierende<br />

Konzeption, die der Heterogenität des Untersuchungsfeldes nicht gerecht<br />

werde.<br />

König (1997) kritisierte das ausschließlich soziologische Verständnis des jugendlichen<br />

<strong>Rechtsextremismus</strong>, den Heitmeyer auf soziale und ökonomische Desintegrationsprozesse<br />

zurückführt, anhand eines Fallbeispiels aus der Bielefelder<br />

<strong>Rechtsextremismus</strong>-Studie. Hopf (1994) konnte dagegen anhand der Daten einer<br />

Untersuchung von Melzer, Schröder und Schubarth (1992), in der etwa 1500 westdeutsche<br />

und 1300 ostdeutsche Jugendliche im Alter zwischen 15 und 24 Jahren<br />

verglichen wurden, die Plausibilität der sogenannten Deprivationsthese, nach<br />

der kumulierende Beeinträchtigungen in der sozialen Lage der Jugendlichen eine<br />

wichtige Voraussetzung für ausländerfeindliche und rechtsextreme Einstellungen<br />

darstellen, bestätigen.<br />

Eckert und Willems (1996) bezweifeln die Erklärungskraft des Desintegrationskonzepts.<br />

Auch die Ergebnisse von Hoffmann-Lange (1996) scheinen diese<br />

Zweifel zu bestätigen: Die Befunde bestätigen zwar, dass erlebte soziale Benachteiligung<br />

und soziale Unzufriedenheit zu erhöhter sozialer Desorientierung führen,<br />

diese wiederum aber nur geringen Ein uss auf ausländerfeindliche Einstellungen<br />

haben; im Osten noch weniger als im Westen Deutschlands (Beta = 0.19<br />

im Westen und Beta = 0.12 im Osten) 7 . Der Einuss von Normlosigkeit als einer<br />

anderen möglichen Folge aus einer anomietheoretischen Perspektive hat dagegen<br />

im Osten weitaus größeres Gewicht (Beta = 0.22 im Westen und Beta = 0.32 im<br />

Osten). Da die formale Schulbildung ebenfalls in die Regressionsgleichung aufgenommen<br />

wurde, diese auch ein starker Prädiktor ist (Beta = 0.31 im Westen<br />

7 Beta-Werte sind standardisierte Regressionskoeffizienten, die Werte von +1,0 bis –1,0<br />

einnehmen können und den Zusammenhang zwischen unabhängigen und abhängigen<br />

Variablen wiedergeben.

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