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Edition Rechtsextremismus

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120 Heinrich Best<br />

ihren Herrschaftsanspruch mit dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft zu<br />

legitimieren, in welcher der „Faschismus auf deutschem Boden“ im festen Bündnis<br />

mit der Sowjetunion für immer besiegt worden sei. Dies blieb der Gründungsmythos<br />

der DDR und ihre Staatsräson bis zum Ende der SED-Herrschaft (vgl.<br />

Ahbe, 2007; Danyel, 1999). Allerdings war im Westen bereits vor 1990 bekannt<br />

gewesen oder zumindest vermutet worden, dass die Herrschaftspraxis der SED<br />

der ofziellen Antifaschismus-Ideologie in wichtigen Bereichen wie z. B. der Rekrutierung<br />

des eigenen Führungspersonals widersprach (vgl. Best, 2010; Best &<br />

Salheiser, 2006; Salheiser, 2010). Als sich nach der Wende die Aktenschränke und<br />

Archive Ostdeutschlands für die historische und soziologische Forschung öffneten,<br />

bestätigten sich jene Vermutungen. So waren beispielsweise gut ein Sechstel<br />

der SED-Parteisekretäre in Thüringen in den fünfziger Jahren ehemalige Mitglieder<br />

der NSDAP gewesen, ein weiteres Drittel ehemalige Mitglieder „faschistischer<br />

Organisationen“ (vgl. Best, 2003; Meenzen, 2010). Entgegen der Propaganda der<br />

SED überschattete die NS-Vergangenheit nicht nur die Bundesrepublik, sondern<br />

auch die DDR-Gesellschaft und das SED-Regime selbst. Als Anfang 1990 die<br />

ersten freien Volkskammerwahlen in der DDR vorbereitet wurden, sahen sich die<br />

dafür zuständigen Behörden gezwungen, „faschistische Organisationen“ von der<br />

Wahlteilnahme auszuschließen. Sie befürchteten offenbar ein erhebliches Gefährdungspotential<br />

durch einen autochthonen <strong>Rechtsextremismus</strong> der DDR unter den<br />

Bedingungen der neu gewonnenen demokratischen Freiheitsrechte und der Ein-<br />

ussnahme westdeutscher rechtsextremer Organisationen und Medien.<br />

Die ober ächliche Entnazizierungspraxis in der DDR der späten vierziger<br />

und frühen fünfziger Jahre (vgl. Kappelt, 1997) ist jedoch keine hinreichende<br />

Erklärung dafür, dass seit den neunziger Jahren rechtsextreme Parteien in Ostdeutschland<br />

Wahlerfolge erzielt haben und dass fremdenfeindliche, rassistische<br />

und antidemokratische Einstellungen überdurchschnittlich häu g auftreten. Die<br />

<strong>Rechtsextremismus</strong>forschung hat stattdessen eine Vielzahl weiterer Erklärungsansätze<br />

hervorgebracht, bei denen sich grundsätzlich zwei Kausalfaktoren unterscheiden<br />

lassen:<br />

• die Wahrnehmung kollektiver Diskriminierung und relativer Deprivation der<br />

Ostdeutschen in Folge der Wiedervereinigung,<br />

• der Fortbestand antidemokratischer, antipluralistischer und antikapitalistischer<br />

Einstellungen und Normen, die sich vor allem auf eine Sozialisation im autoritären<br />

Sozialismus sowjetischer Prägung zurückführen lassen.<br />

Wenn davon auszugehen ist, dass sowohl die Gründe für die relative Deprivation<br />

als auch sozialistische Sozialisationsmuster weiterwirken bzw. reproduziert wer-

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