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Edition Rechtsextremismus

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„Lügenpresse“?<br />

317<br />

Problemanalyse: Ausführlich wird diskutiert – angereichert durch Zitate diverser<br />

Akteursgruppen – warum es in der Kleinstadt zu den fremdenfeindlichen Ausschreitungen<br />

kommen konnte. Wiederkehrende Muster der Argumentation sind:<br />

Es müsse eine allgemein verbreitete Fremdenfeindlichkeit unter den Mügelner<br />

Altstadtfestbesuchern geben. Und: Diese sei typisch für „spezi sche Regionen“.<br />

Diese Regionen werden nicht immer verortet, allerdings wird häu g speziell auf<br />

das Bundesland Sachsen Bezug genommen oder generell auf Ostdeutschland. Als<br />

Problemverschärfer wird zudem recht häug auf den Mügelner Bürgermeister als<br />

Vertreter der Gemeinde und zum Teil auch auf die Sächsische Staatsregierung verwiesen:<br />

ihre Reaktionen werden als Mangel an Aufklärungswillen interpretiert,<br />

zum Teil wird auch Fremdenfeindlichkeit bei den Zuständigen selbst vermutet und<br />

mit Zitaten untermauert (der Bürgermeister hatte der Financial Times gegenüber<br />

geäußert: „Ausländer-raus-Rufe können jedem Mal über die Lippen kommen“).<br />

Einzelne Journalisten glauben darüber hinaus, dass die Polizei eine problematische<br />

Rolle bei der Bearbeitung des Vorfalls spielt, auch weil einige ihrer Vertreter<br />

gegenüber der Gruppe der Opfer voreingenommen zu sein scheinen (eine<br />

Ermittlerin hatte formuliert: „Die Inder sollten sich jetzt nicht in die Opferrolle<br />

hineinsteigern“).<br />

Normorientierungen: Das Selbstverständnis eines friedliebenden, vielfältigen,<br />

demokratischen Deutschlands sehen die meisten Journalisten durch den Vorfall<br />

und seine Bearbeitung angegriffen. Der Vorfall gewinnt daher für Viele noch<br />

grundlegender an Bedeutung, als zunächst von der Polizei und Staatsanwaltschaft<br />

ausgeschlossen wurde, dass die Verursacher des rassistischen Vorfalls Neonazis<br />

waren. Als besonders bedrohlich wird empfunden, dass sich viele Bürger, die nicht<br />

zur extrem rechten Szene gehören, an den Ausschreitungen beteiligten. Vor dem<br />

Hintergrund der eigenen Normvorstellungen, die sich – ob bewusst oder unbewusst<br />

– auf das Grundgesetz und menschenrechtliche Standards beziehen, steht<br />

zum einen der rassistische Gewaltakt an sich in der Kritik, zum anderen aber auch<br />

jene Bürger und Institutionen, die akzeptierten, dass die Grundrechte verletzt wurden<br />

und jene, welche eine effektive Aufklärung behindern.<br />

Doch obwohl die Berichterstattung nun „Rassismus“, „Fremdenfeindlichkeit“<br />

und „fremdenfeindliche Gewalt“ thematisiert, wird diese neue inhaltliche Einordnung<br />

in den Überschriften (die übrigens selten von den Autoren selbst stammen)<br />

häug nicht durchgehalten: Es nden sich weiterhin „<strong>Rechtsextremismus</strong>“-Headlines.<br />

Dies deutet darauf hin, dass die Themen „Rassismus“ und „Fremdenfeindlichkeit“<br />

kaum selbstständig, sondern als Teile der Kategorie „<strong>Rechtsextremismus</strong>“<br />

wahrgenommen werden. Durch die undifferenzierten Überschriften kommt<br />

es aber zu argumentativen Widersprüchen bzw. zu einer mangelnden Stringenz in<br />

der Argumentation. Damit eröffnet sich auch eine Angriffsäche für Kritiker, die

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