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Edition Rechtsextremismus

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302 Anetta Kahane<br />

Heute, zweieinhalb Jahre später, nach einer bewegenden Trauerfeier in Anwesenheit<br />

der Kanzlerin, nach Abschluss der ersten Untersuchungsausschüsse, nach<br />

einem Rock-Fest in Jena, nach Versprechen von Polizei, Justiz und Verfassungsschutz,<br />

dass jetzt alles überprüft und verbessert würde, treffen wir uns hier um<br />

nachzusehen, ob sich insgesamt in der Gesellschaft etwas verändert hat und ob<br />

geschehen ist, was die Behörden versprochen haben. Zu P ngsten 2014 fand eine<br />

öffentliche Gedenkveranstaltung statt. Anlass war der 10. Jahrestag des Bombenanschlags<br />

auf die Kölner Keupstraße. 50.000 Menschen kamen unter dem Motto<br />

Birlikte zusammen. Birlikte bedeutet Zusammenstehen – so wie inNâzm Hikmets<br />

Gedicht: frei wie ein Baum und brüderlich wie ein Wald. Gauck hat dort geredet;<br />

Udo Lindenberg, BAP, Clueso – sie alle waren gekommen. Wie ein gutes Jahr zuvor<br />

in Jena verurteilten die Redner alle Neonazis und besonders den NSU, und wie<br />

dort beschworen sie das Miteinander. Unterschiedlich war nur die Selbstbetrachtung<br />

der Städte – in Jena ging es vor allem darum, den Ruf der Stadt wiederherzustellen,<br />

in Köln spielte dieses Bedürfnis keine Rolle. In Jena wurde das Publikum<br />

in Bussen herangefahren, in Köln kam, wer wollte. Dafür endete die Veranstaltung<br />

in Köln jäh: der Wetterdienst hatte eine Sturmwarnung herausgegeben und so<br />

musste der Platz geräumt werden. Der Sturm kam übrigens tatsächlich, wir waren<br />

mit unserem Team mittendrin.<br />

Ich will Ihnen einige Szenen schildern, aus dem Westen wie aus dem Osten,<br />

anhand derer ich versuchen will, ein Bild dessen zu zeichnen, was der <strong>Rechtsextremismus</strong><br />

heute ist und wie er entstand.<br />

Zunächst die Schlaglichter aus dem Westen:<br />

• Die erste Szene zeigt eine weitere Kundgebung für Abdullah Öcalan und<br />

den deutschen Justizminister im Gespräch über den Brandanschlag 1992 auf<br />

ein Wohnhaus in Mölln. Das Opfer wird nach der Tat gefragt. Ein wichtiger<br />

Augen blick für den Minister: Ibrahim Arslan aus Mölln geht ihn auch an. Eine<br />

Entschädigung wie ein Verkehrsopfer? Da ist der Minister beleidigt. Und bezeichnet<br />

den Ruf aus dem Publikum, der Staat habe den NSU mitnanziert, als<br />

„Bullshit“.<br />

• Der Bürgermeister von Köln hingegen sagt, die Opfer dürften auf Entschädigung<br />

hoffen. Und begrüßt keinen einzigen der Anwesenden.<br />

• BAP sitzt im Sturm in einer Getränkehandlung von Türken fest, und die einzige<br />

Kommunikation mit den Gastgebern ist ein freundliches Kopfnicken, als diese<br />

ihnen Getränke anbieten.

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