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Edition Rechtsextremismus

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464 Wolfgang Beutel et al.<br />

1 Demokratiepädagogik<br />

Demokratiepädagogik ist ein Begriff, der eine breite konzeptuelle, aber auch<br />

schulentwicklungspraktische und lernbezogene Strategie beschreibt, die in der<br />

Pädagogik von Wissenschaft und Praxis re ektiert, konkretisiert und etabliert<br />

werden soll. Grundlegend ist die Annahme, dass die Erfahrung von Anerkennung<br />

und Mitwirkung – also die demokratisch-partizipative Integration in das Gemeinwesen<br />

– aller Bürgerinnen und Bürger von möglichst früh an die beste Prävention<br />

gegen die Herausbildung vormoderner oder gar radikaler politischer Identitäten ist.<br />

Ausgehend von den sozialpolitischen Erschütterungen, die durch die menschenverachtenden<br />

Übergriffe auf Asylsuchende in den frühen 1990er Jahre ausgelöst<br />

wurden (a), sollen grundlegende Ziele des demokratiepädagogischen Reformansatzes<br />

skizziert (b) und aktuelle Herausforderungen (c) beschrieben werden.<br />

(a) Anfänge: An der Wiege der Demokratiepädagogik steht in den frühen 1990er<br />

Jahren eine Serie erschreckender Ereignisse. Nach dem Aufweichen der bis dahin<br />

vorherrschenden Ost-West-Blockkonfrontation brachen im Inneren des wiedervereinigten<br />

Deutschlands – für viele unerwartet – individuelle Haltungen durch, die<br />

in ihrer archaischen Gewalttätigkeit die demokratische Gesellschaft verunsicherten<br />

und herausforderten. Ein rechtsextremer Mob, der nicht vom Staat befohlen<br />

war, kam „aus der Mitte“ der Gesellschaft zum Vorschein und tobte sich aus. In<br />

Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen eskalierte der offenbare<br />

Hass gegen Asylsuchende in Mord- und Brandanschlägen. Die Zivilgesellschaft<br />

war gefordert. Zum Überdenken der alten theoretischen Erklärungsansätze blieb<br />

kaum Zeit, obwohl der deutlich vernehmbare Applaus aus dem bürgerlichen Lager<br />

auch in dieser Hinsicht hätte nachdenklich stimmen müssen.<br />

In Reaktion auf das fortwirkende Wiedererstarken der Menschenfeindlichkeit<br />

wurde unter anderem auch das BLK-Programm „Demokratie lernen und leben“<br />

(Edelstein & Fauser, 2001) aufgelegt. Die Akteure entwickelten sehr schnell und<br />

mit großer Energie Handreichungen und Materialien zu einer Demokratisierung<br />

von Schule und Unterricht. Aber die Laufzeit bis 2007 war zu kurz, um nachhaltige<br />

schulsystemische Veränderungen zu erzielen. Nur einzelne Bundesländer<br />

ermöglichten Anschlüsse. So blieb vieles auf halber Strecke stehen und nach Ansicht<br />

der Projektpartner auch zentrale Fragen unbearbeitet. So kam erstens die<br />

DDR-Geschichte nicht vor. Zweitens fehlte die Dimension der Interkulturalität.<br />

Und drittens gab es fast keine politischen Analysen des <strong>Rechtsextremismus</strong>.<br />

Die Demokratiepädagogik, die durch das Geschehen der Wende in ihrer Resonanz<br />

und Entwicklung beschleunigt wurde, verstand sich als präventiv gehaltvoll<br />

in dem Sinne, dass sie – in kritischer Abgrenzung zu einer offensichtlich nicht<br />

hinreichend efzienten politischen Bildung in der Schule – dem, was wir im wei-

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