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Edition Rechtsextremismus

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428 Daniel Köhler<br />

inwieweit die ideologische Ebene notwendigerweise oder auch legitimiert in der<br />

praktischen Arbeit eine Rolle spielen sollte, ist dabei stark umstritten. So ist die<br />

Kritik grundsätzlich berechtigt, ob strafrechtlich irrelevante, d. h. von der Meinungsfreiheit<br />

abgedeckte, Einstellungen und Verhaltensweisen ein Gegenstand<br />

von Programmen sein sollten, welche, teilweise von staatlichen Strukturen oder<br />

mit staatlicher Finanzierung durchgeführt, deren Änderung oder Anpassung zum<br />

Ziel haben. Weiterhin ist auch die praktische Umsetzbarkeit und Nachweisbarkeit<br />

der ideologischen Wirkungsweisen von Deradikalisierungsprogrammen kritisiert<br />

worden (Horgan, 2009), was unter anderem zu dem Plädoyer geführt hat, das Konzept<br />

zugunsten der rein physischen Herauslösung komplett aufzugeben (Noricks,<br />

2009, S. 314).<br />

Nichtsdestotrotz ist die Auseinandersetzung mit dem Ideologiebegriff zentral,<br />

um die Methoden von Deradikalisierungsprogrammen beurteilen und konzeptionell<br />

einordnen zu können, da es grundlegend bei dieser Tätigkeit um die individuelle<br />

oder kollektiv begleitete Distanzierung (auf physischer und/oder psychischer<br />

Ebene) zu Milieus und Gruppen geht, welche sich durch eine bestimmte (als extremistisch<br />

oder radikal eingeordnete) Ideologie und kollektive Identität auszeichnen.<br />

Entscheidend sind dabei die destruktiven Interaktionsmechanismen zwischen<br />

solchen radikalen sozialen Bewegungen und ihren Umgebungsgesellschaften im<br />

Rahmen einer „Kontrastgesellschaft“ zu verstehen und zu erkennen (vgl. für eine<br />

detaillierte Ausführung Koehler, 2014c; Koehler, 2015), um die entsprechenden<br />

interventiven Effekte von Deradikalisierungsprogrammen als Stärkung von demokratischen<br />

und pluralistischen Diskursen und Gesellschaften zu begreifen. ‚Deradikalisierung’<br />

von Einzelpersonen und Gruppen ist damit als eine gesamtgesellschaftliche<br />

Aufgabe weit über die Einzelfallhilfe hinaus zu begreifen, welche<br />

konkrete positive Effekte im Bereich der Terrorismusbekämpfung und Stärkung<br />

der gesellschaftlichen ‚Immunkraft’ gegen menschenfeindliche und gewaltverherrlichende<br />

Bewegungen und Ideologien zeigt.<br />

Im deutschen Fachdiskurs nden sich nur wenige Veröffentlichungen zu Ausstiegs-<br />

oder Deradikalisierungsprogrammen, die auch nur ansatzweise den Stand<br />

der internationalen Debatten aufgreifen (als positive Beispiele siehe z. B.: Baer,<br />

Möller, & Wiechmann, 2014; Rieker, 2009; 2014). In älteren Diskursen wurden<br />

oftmals einzelne sozialpädagogische Konzepte (z. B. die akzeptierende Jugendarbeit)<br />

verteidigt oder kritisiert (vgl. z. B.: Buderus, 1998; Krafeld, 2001; Möller,<br />

2008). Dies allerdings oftmals ohne eine entsprechende theoretische Tiefe zum<br />

Thema Ausstieg und/oder Deradikalisierung zu erreichen. Generell wurden individuelle<br />

Ausstiegsmotive und –verläufe nur äußerst selten und mit recht geringer<br />

wissenschaftlicher Qualität in der deutschen Forschungslandschaft untersucht (siehe<br />

z. B.: de Ahna, 1981; Hafeneger, 1993; Hoffmeister & Sill, 1992; Möller, 2010a,

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