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Edition Rechtsextremismus

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Ein systematisierender Überblick über Entwicklungslinien …<br />

63<br />

Die besondere Tragik dieser Pannen liegt darin, dass die Fahnder offenbar jahrelang<br />

nicht auf die Idee kamen, die zehn Morde könnten einen rechtsextremen<br />

Hintergrund haben und auf das Konto des gesuchten Nazi-Trios gehen. Lange Zeit<br />

ging die Polizei von der Annahme aus, es handele sich um Verbrechen der organisierten<br />

Kriminalität oder gar um Ehrenmorde. Die Sonderkommissionen der Polizei<br />

hießen dann auch Soko Halbmond oder Soko Bosporus. Über Jahre wurden<br />

auch Angehörige der Mordopfer als mögliche Täter oder Mitwisser verdächtigt.<br />

Und in den Medien, auch in jenen, die sich als Qualitätsmedien verstehen, wie die<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung oder die Neue Züricher Zeitung, schrieb man von<br />

„Döner-Morden“ und von „Döner-Mördern“ (Spiegel Online ,4.7.2012).<br />

An der Brutalität der Morde, die vom Nationalsozialistischen Untergrund verübt<br />

wurden, kommt seit seiner Aufdeckung auch die <strong>Rechtsextremismus</strong>forschung<br />

nicht vorbei (z. B. Backes, 2013; Baumgärtner & Böttcher, 2012; Fuchs & Goetz,<br />

2012; Gensing, 2012, Pfahl-Traughber, 2012b; Röpke & Speit, 2013; Schmincke &<br />

Siri, 2013; Staud & Radke, 2012; Sundermeyer, 2012; Wetzel, 2013).<br />

Der <strong>Rechtsextremismus</strong> in Deutschland entstand nicht über Nacht und bildete<br />

sich auch nicht erst nach 1989 aus. Tatsache ist aber auch, dass nach der Wende<br />

in der DDR die rechtsextremistischen Gewalt- und Straftaten in ganz Deutschland<br />

sprunghaft angestiegen waren ( siehe auch den Beitrag von Quent in diesem<br />

Band). So kommt Gensing (2012) zu der Schlussfolgerung, dass die Pogrome in<br />

Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda in den Jahren 1991 und 1992 und die dabei<br />

deutlich gewordene Legitimierung von Gewalt gegen Migranten durch Staat<br />

und Bevölkerung zu den Sozialisationserfahrungen der neuen Neonazis gehören.<br />

Auch Stephan Lessenich (2013) fragt zunächst nach dem „Braunen Osten?“. Sicher,<br />

die Studien zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (z. B. Heitmeyer,<br />

2012) oder die „Mitte-Studien“ (Decker et al., 2012) zeigen die nach wie vor vorhandenen<br />

Ost-West-Unterschiede in den rechtsextremen Tendenzen. Aber worauf<br />

verweisen diese Unterschiede? Auf „die ‚böhsen Onkelz‘ von der SED, die in den<br />

Köpfen und Seelen der Ostdeutschen noch heute ihr Unwesen treiben“? (Lessenich,<br />

2013, S. 141). Lessenich sieht das analytischer: Mit der politisch-medialen<br />

Debatte über die NSU-Morde sei der <strong>Rechtsextremismus</strong> erneut zum Instrument<br />

der deutsch-deutschen Gesellschaftspolitik geworden. „Wie dem auch sei: Aus<br />

soziologischer Warte allemal Stoff und Grund genug, der alltagspraktischen und<br />

mikropolitischen Aufarbeitung der Vereinigungsfolgen genauer nachzugehen“<br />

(Lessenich, 2013, S. 142).

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