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Edition Rechtsextremismus

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336 Britta Schellenberg<br />

die Berichterstattung nicht an „objektiven Gegebenheiten“ orientiere, sondern<br />

„falsch“, „hysterisch“, „vorurteilsgeleitet“ oder gar „böswillig“ sei. Durch den Verweis<br />

auf einzelne problematische Muster stellten diese Kritiker die Glaubwürdigkeit<br />

der Medienberichterstattung insgesamt in Frage.<br />

Tatsächlich hat die Kritik an der öffentlichen Debatte über den „Fall Mügeln“<br />

darüber hinaus auch gesellschaftliche Fehlentwicklungen begünstigt: Die Entwicklungen<br />

der Debatte (u. a. Veränderung der Position des Bürgermeisters hin<br />

zu radikal rechten Argumentationsmustern) und vor Ort (Explosion der neonazistischen<br />

Gewalt, Einzug der NPD in den Stadtrat) zeigen, dass die Fehlinformationen<br />

durch staatliche Zuständige sowie die negativen Zuschreibungen gegen<br />

„die Medien“ und die (Bundes-)Politik zu einer schleichenden Entfremdung von<br />

bundesdeutschen Normvorstellungen führten. Die pauschale Medienkritik gepaart<br />

mit Abwehrreaktionen und Zuschreibungen (insbesondere Ost-West-Be ndlichkeiten)<br />

hat eine Brücke zu rechtsradikalen Verschwörungstheorien und Gedankenwelten<br />

geschlagen. Diese ideologischen Entwicklungen dürfen in ihrer Dynamik<br />

nicht unterschätzt werden – sie haben heute ihren Anteil an den demokratischen<br />

Adaptionsproblemen der Pegida-Anhänger in der sächsischen Großstadt Dresden,<br />

unweit von Mügeln, inklusive ihrer „Lügenpresse“-Rufe.<br />

Wissenschaftler haben sich der Berichterstattung über „<strong>Rechtsextremismus</strong>“<br />

und „fremdenfeindliche Gewalt“ in der Vergangenheit vor allem kritisch genähert,<br />

ohne die Stärken der medialen Berichterstattung herauszuarbeiten. Kritisiert<br />

wurde etwa, dass die Berichterstattung Nachahmungseffekte auslösen würde, dass<br />

sie recht zufällig wäre und realitätsfremd sei – begründet wurde dies mit dem<br />

Verweis auf die amtliche Kriminalstatistik, die unkritisch zur Grundlage einer<br />

wirklichkeitsnahen Einschätzung erklärt wurde (vgl. Brosius & Esser 1995; Esser,<br />

Scheufele & Brosius, 2002; Kleinen-v. Königslöw et al., 2002). 28 Meine Fallstudie<br />

zum Umgang mit rassistischer und extrem rechter Gewalt – aber auch die Erfahrungswerte<br />

der Opferberatungsstellen und Opferanwälte, ebenso wie die bereits<br />

heute vorliegenden Erkenntnisse zum „NSU“-Komplex – stellen diese Sichtweise<br />

in Frage, ebenso die Aussagekraft isolierter Medienkritik. Erst ein breiterer Blick<br />

auf Akteure, ihre Interessen, Impulse und Interaktionen kann Aufschluss über die<br />

Stärken und Schwächen der medialen Berichterstattung geben. Meine Analyse<br />

macht Vertuschungsbemühungen, problematische Bearbeitungsmuster und falsche<br />

Weichenstellungen durch staatliche Akteure sichtbar und verdeutlicht ihren prob-<br />

28 Natürlich ist es u. a. ein Verdienst, dass Frames der Thematisierung herausgearbeitet<br />

und nachwiesen wurde, dass „Schlüsselereignisse“ eine überdurchschnittlich intensive<br />

und längerfristige Thematisierung „fremdenfeindlicher Gewalt (in Ostdeutschland)“<br />

provozieren.

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