05.01.2016 Views

Edition Rechtsextremismus

75dwIuZct

75dwIuZct

SHOW MORE
SHOW LESS

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

<strong>Rechtsextremismus</strong><br />

303<br />

Zwei Schlussfolgerungen:<br />

1. Dreißig Jahre Einwanderung – und noch immer sind die Einwanderer nicht Teil<br />

der deutschen Gesellschaft. Diese Gesellschaft klebt am alten Konzept und gestaltet<br />

auch nicht ihre Zukunft. Wer jedoch nicht akzeptiert, dass ethnische und<br />

kulturelle Vielfalt eine Tatsache ist, kann auch nicht über Diskriminierung und<br />

Rassismus reden. Diese Abwehr ist eine Abwehr des Themas insgesamt. Weder<br />

die Behörden noch die Gesellschaft haben sich wirklich auf ein Miteinander in<br />

Vielfalt eingestellt. Der Korpsgeist hat sich nicht verändert, selbst wenn jetzt<br />

einige Einwanderer mitspielen dürfen.<br />

2. <strong>Rechtsextremismus</strong> ist auch ein Ost-West-Problem. Hier lebt der kalte Krieg<br />

fort. Nach 1945 zeigten die Kommunisten auf den Westen. Zu Recht, gewiss.<br />

Aber sie vergaßen die eigenen Mentalitäten und dass der Nationalsozialismus<br />

nicht per Beschluss verschwindet. Der Westen seinerseits hielt sich in den<br />

90er Jahren für geheilt. Als die Wende kam, war ‚68 durch die Institutionen<br />

marschiert und nahm stirnrunzelnd zur Kenntnis, dass sich die DDR jetzt per<br />

Mauerfall angeschlossen hatte. Die Konservativen sahen große Möglichkeiten,<br />

die 68er lauter Unmöglichkeiten. Beide ignorierten zunächst den <strong>Rechtsextremismus</strong><br />

und Autoritarismus in der postkommunistischen Gesellschaft Ostdeutschlands<br />

– nur um ihn etwas später von sich wegschauend ausschließlich<br />

im Osten zu sehen. So wie damals die DDR auf den Westen, wies man jetzt mit<br />

dem Zeigenger auf den Osten – ebenfalls ohne zu bemerken, wie der eigene<br />

<strong>Rechtsextremismus</strong> und Populismus wuchs. Wir sagten damals: „Wer im Osten<br />

den <strong>Rechtsextremismus</strong> gewähren lässt, versaut auch die Preise im Westen.“<br />

So konnte der NSU vom Osten aus im Westen wüten, denn dort hatte niemand<br />

mit einer strukturierten Form der „Ostfolklore“ gerechnet. Trotz des versuchten<br />

Anschlags in München auf den Synagogenbau durch Herrn Wiese, der ja auch aus<br />

dem Osten kam. Auf der einen Seite die Türken isoliert und noch nicht angenommen<br />

und auf der anderen ein <strong>Rechtsextremismus</strong>, der sowohl unterschätzt als auch<br />

allein auf den Osten bezogen wurde – diese Diskrepanz war ein zentrales Element<br />

des Erfolgs des NSU. Beidem, Ost wie West, liegt eine gemeinsame Geschichte<br />

zugrunde, die Schuldabwehr und Schuldumkehr zu einem festen Bestanteil der<br />

Alltagskultur gemacht hat. Der Nationalsozialismus hat bis in die Familien hinein<br />

eine tiefe Spur von Einstellungen und Mustern hinterlassen, die auf unterschiedliche<br />

Weise bis heute fortwirken.

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!