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Edition Rechtsextremismus

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Sekundäre Viktimisierung durch die Polizei?<br />

483<br />

2 Theoretischer Hintergrund<br />

2.1 Opfererfahrungen, Diskriminierung, Gewalt<br />

Dass Menschen dazu tendieren, Opfererfahrungen auszublenden und sich mit dem<br />

Schicksal von Gewaltopfern nicht näher befassen wollen, ist in der menschlichen<br />

Psyche verankert: Psychologen und Psychologinnen weisen auf die Neigung hin,<br />

die Existenz von Opfern möglichst zu verdrängen oder bei ihnen eine Mitschuld<br />

zu vermuten, um nicht an die eigene Schwäche erinnert zu werden oder Schuldgefühle<br />

in sich selbst zu erwecken (Mitscherlich: zitiert in Bolick, 2010). Abgewehrt<br />

wird zudem die Infragestellung von gesellschaftlichen Machtverhältnissen gegenüber<br />

sozialen Minderheiten. Denn die Opfer rechter Gewalt unterliegen meist über<br />

die Ausübung einer rechtsextremistischen oder rassistisch motivierten Gewalttat<br />

hinaus „der Durchsetzung eines länger andauernden Machtverhältnisses, das auch<br />

nach dem Übergriff durch die Androhung weiterer Gewaltausübung aufrechterhalten<br />

wird. […] Opfer rechtsextremistischer Macht haben in der Regel unter einer<br />

lang währenden Unterordnung ihrer Person unter einen Täter bzw. eine Tätergruppe<br />

zu leiden.“ (Böttger, Lobermeier & Plachta, 2014, S. 42) Erscheinungsformen<br />

dieser andauernden Unterordnung reichen von Gewalt als „direktester Form<br />

von Macht“ (Popitz, 1992, S. 46), über strukturelle Schädigungen bis zu anderen,<br />

strafrechtlich häu g nicht relevanten Formen der „negativen Diskriminierung“<br />

(Castel, 2009). Diese negative Diskriminierung macht aus „eine[r] Differenz eine<br />

Dezienz, die für ihren Träger zu einem unaustilgbaren Makel wird. Negativ diskriminiert<br />

zu werden heißt, aufgrund einer Eigenart abgestempelt zu werden, die<br />

man sich nicht ausgesucht hat, die aber für die anderen zum Stigma wird. Eine<br />

entstandene Alterität wird zum Faktor der Ausgrenzung.“ (Castel, 2009, S. 14).<br />

Gegner und Gegnerinnen werden als Kollektive (beispielsweise die ‚Ausländer‘,<br />

die ‚Jüdinnen und Juden‘, die ‚Reichen‘ …) identi ziert. Die von den Tätern und<br />

Täterinnen als Opfer denierten Individuen sind in ihrer als homogen fremd konstruierten<br />

Gruppe in aller Regel beliebig austauschbar und für ihre Viktimisierung<br />

nicht persönlich verantwortlich. Die (von den Tätern und Täterinnen angenommene)<br />

Gruppenzugehörigkeit der Betroffenen ist Anlass für deren Gewalterfahrung<br />

(Köbberling, 2010, S. 189). Die durch die Gewalt transportierte Botschaft richtet<br />

sich nicht nur an das angegriffene Individuum, sondern an die gesamte Gruppe,<br />

zu der es gezählt wird: Die Gewalt wirkt sich daher auf die gesamte Gemeinschaft<br />

aus („kollektive Viktimisierung“) (Köbberling, 2010, S. 189) und intendiert die<br />

Einschüchterung der gesamten Gruppe (Finke, 2010, S. 207).

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