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Edition Rechtsextremismus

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456 Reiner Becker<br />

2. Natürlich kann kein kausaler Zusammenhang zwischen einem früh ausgeprägten<br />

lokalen Nationalsozialismus und einem wiederkehrenden lokalen <strong>Rechtsextremismus</strong><br />

am Beispiel eines einzigen Ortes gezeigt werden. Allerdings zeigt<br />

sich in den o. g. Ängsten und Befürchtungen innerhalb des Projektteams und<br />

dem damit verbundenen stetig drohenden Scheitern des Projekts ein spezi -<br />

scher Konformitätsdruck: Wie auch bei den Beratungen von Kommunen nach<br />

aktuellen rechtsextremistischen Vorkommnissen sind es auch hier die lokalen<br />

Beziehungsgeechte, die Engagement hemmen oder gar unmöglich machen.<br />

Die Bedeutung dieser Beziehungsge echte zeigt sich so stark, dass selbst 70<br />

Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges eine offene Thematisierung des lokalen<br />

Nationalsozialismus auf große Hindernisse stößt.<br />

3. Viele der Geschichten, die der jüngeren Generation bisher unbekannt waren,<br />

sind den „Alten“ bekannt: So konnten alle Interviewpartner mal mehr, mal<br />

weniger detailliert über die Zwangsarbeit im Ort berichten. Weiterhin fällt<br />

auf, dass in den Erinnerungen der Interviewpartner das Treiben der NSDAP-<br />

Ortsgruppe deutlich weniger Raum einnimmt als etwa die Erinnerungen an<br />

Kindheit, an die Kriegszeit oder auch an die Opfer der Oberschelder Nationalsozialisten.<br />

Sehr vorsichtig deuten einige nur Geschichten über alltägliche<br />

Drangsalierungen, Verfolgung bis hin zu gewalttätigen Vorkommnissen an,<br />

sprechen keine Namen „der Täter“ aus, berichten aber gleichzeitig, dass sich<br />

nach dem Krieg für alle NS-Ortsgrößen jemand gefunden habe, der sie in ihren<br />

Entnazizierungsverfahren entlastet habe. Dies hängt mit einem der markantesten<br />

Ergebnisse der Interviewauswertung zusammen: Im Rückblick auf diese<br />

Zeit, trotz der zuvor geschilderten Geschichten von Schikanen, Ausgrenzungen<br />

bis hin zum Totschlag, pegt die Generation der Interviewpartner scheinbar bis<br />

heute ein Bild von ihrem Dorf, in dem alle immer zusammengehalten haben<br />

und die „Gemeinschaft“ immer funktionierte: Kein Zweifel, keine kritische<br />

Reexion, eher selten ein getrübter Blick auf eine verpasste und verschenkte<br />

Jugend, die von der NSDAP und ihren Gliederungen auch in Oberscheld durch<br />

und durch organisiert war. Es scheint, dass diesen Kindern und Jugendlichen<br />

der „Generation Hitler-Jugend“ nach dem Krieg von ihren Eltern das Tabu<br />

auferlegt worden sei, das Ideal der Dorfgemeinschaft zu wahren und nicht in<br />

Verruf zu bringen, auch auf Kosten derer, die in ihrem Ort viel bitteres Leid<br />

erfahren haben. Hier scheint sich auf Ebene einer Dorfgemeinschaft ein Mechanismus<br />

zu zeigen, der für die Tradierung von NS-Erlebnissen innerhalb von<br />

Familien herausgearbeitet wurde:

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