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Edition Rechtsextremismus

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Wenn abstrakte Items auf die Wirklichkeit der Stammtische treffen<br />

447<br />

3 Politische Kultur und <strong>Rechtsextremismus</strong><br />

im ländlichen Raum<br />

Die bisherigen Ausführungen zur politischen Kultur beziehen sich auf eine gesamtgesellschaftspolitische<br />

Perspektive. Doch können auch Spezika einer politischen<br />

Kultur für konkrete soziale – lokale und regionale – Nahräume beschrieben<br />

werden, wie die folgenden sechs Dimensionen zeigen:<br />

1. Betrachtet man konkrete Entfaltungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume<br />

extrem rechter Organisationen und Gruppierungen im lokalen bzw. regionalen<br />

Nahraum, dann zeigen die Befunde aus der Forschung zu <strong>Rechtsextremismus</strong> als<br />

soziale Bewegung, dass die lokale politische Kultur, die konkreten Einstellungsmentalitäten<br />

und Vorurteilskulturen mitentscheidend dafür sind, ob es vor Ort<br />

eher günstige oder hinderliche Entfaltungsmöglichkeiten gibt (Klärner & Kohlstruck,<br />

2006). Eine Erklärung hierfür ndet sich u. a. in der Theorie des geplanten<br />

Verhaltens (Fishbein & Ajzen, 1975), wonach Individuen ihre Handlungen<br />

danach ausrichten, ob das Umfeld, z. B. das Gemeinwesen, diese Handlungen<br />

„aus Überzeugung“, auf Basis geteilter Werte und Überzeugungen, missbilligt<br />

oder toleriert. Hier treffen nun die abstrakten Items der Einstellungsforschung<br />

mit der Wirklichkeit der Stammtische und interaktiven Alltagsbezügen zusammen:<br />

Vorurteile gegenüber gesellschaftlich schwachen Gruppen nden sich eher<br />

im ländlichen denn im städtischen Raum wieder. Der Af nisierungsaufbau bei<br />

rechtsextrem orientierten Jugendlichen kann dadurch begünstigt werden, wenn<br />

sie mit solcherlei Vorurteilen in ihrem sozialen Nahraum groß werden – in der<br />

Dorfschänke oder im Feuerwehrgerätehaus, in Vereinen oder in Kirmesburschenschaften.<br />

Dies kann so weit führen, dass rechtsextrem orientierte Jugendliche<br />

für ihr Verhalten ein Mandat und eine „stille“ Unterstützung in den Vorurteilskulturen<br />

der Erwachsenen ihres sozialen Nahraums annehmen.<br />

2. Weiter zeigen die Ergebnisse aus der Einstellungsforschung für die Bundesrepublik,<br />

dass rechtsextreme Einstellungen kein Ost-West- sondern eher ein Stadt-<br />

Land-Problem sind. So ist z. B. Fremdenfeindlichkeit dort höher, wo kaum Migranten<br />

leben (vgl. Decker, Kiess & Brähler, 2012). Dieser für viele irritierende<br />

Befund lässt sich mit den Annahmen der so genannten Kontakttheorie erklären,<br />

wonach der persönliche Kontakt mit „Fremden“ zur Reduktion von Vorurteilen<br />

und Feindseligkeiten beitragen kann, weil er die Haltung zum Zusammenleben<br />

der eigenen mit fremden Gruppen verändert (vgl. Asbrock et. al., 2012). Der<br />

persönliche Kontakt zu „Fremden“ kann als ein Prozess der „Deprovinzialisierung“<br />

beschrieben werden, in dem zunehmend andere kulturelle Standards<br />

und Gewohnheiten wahrgenommen und akzeptiert werden (Pettigrew, 1998).

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