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Edition Rechtsextremismus

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Deradikalisierung als Methode<br />

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2010b, 2010c; Möller & Schuhmacher, 2007; Nauditt & Wermerskirch, 2013;<br />

Rommelspacher, 2006). Im Bereich der internationalen Terrorismusforschung<br />

dagegen wurden auf Grundlage etlicher qualitativer Studien einige Faktoren mit<br />

erheblicher praktischer Relevanz in Bezug auf Deradikalisierungsprozesse und –<br />

programme festgestellt. So können zum Beispiel Veränderungen in der Gruppe,<br />

der persönlichen Präferenzen oder des sozialen Umfeldes (Reinares, 2011) individuelle<br />

Ausstiegsprozesse auslösen. Weiterhin lassen sich „schiebende“ (engl.<br />

„Push“) und „ziehende” (engl. “Pull”) Faktoren identi zieren (Aho, 1988; Bjørgo<br />

& Horgan, 2009).<br />

Generell beinhaltet das Verlassen einer radikalen Gruppe oder das Ablassen<br />

von kriminellem Verhalten eine individuelle Entscheidung, teilweise verbunden<br />

mit dem Wunsch nach Veränderung und dem Willen ein „normales Leben“ zu<br />

führen (Bjørgo & Horgan, 2009; Fink & Haerne, 2008; Horgan, 2009). Ein persönliches<br />

traumatisches Ereignis kann dabei eine kognitive Öffnung (engl. “Cognitive<br />

opening“) schaffen, was in vielen Studien als bedeutender Faktor bei der<br />

Deradikalisierung aufgezeigt wurde (ebd.). Weitere zentrale und wissenschaftlich<br />

gestützte Elemente dieses Prozesses sind (Bjørgo, et al., 2009, S. 36-40): negative<br />

soziale Sanktionen aufgrund der Gruppenmitgliedschaft, Verlust des Glaubens<br />

in die Gruppenideologie (siehe auch: Rosenau, Espach, Ortiz, & Herrera,<br />

2014, S. 284) oder Politik der Bewegung, eine Desillusionierung mit den gruppeninternen<br />

Prozessen, Verlust der Zuversicht auf Erfolg, Statusverlust innerhalb der<br />

Gruppe und Erschöpfung („schiebende Faktoren“). Alter, Karriereperspektiven<br />

und persönliche Zukunft, Familie und Verantwortung gehören dagegen zu den<br />

„ziehenden Faktoren”.<br />

Zusammengefasst spielen externe (z. B. Ereignisse, Umfeldveränderungen) und<br />

interne (z. B. Burnout, Ideologiezweifel) Faktoren üblicherweise zusammen und<br />

beeinussen bzw. bedingen sich gegenseitig. Trotz aller dieser Erkenntnisse sind<br />

die motivationalen und prozessualen Aspekte der Deradikalisierung immer noch<br />

unzureichend erforscht und die Einblicke sind bestenfalls als bruchstückartig zu<br />

bezeichnen.<br />

Da der Deradikalisierungsprozess weder statisch in eine Richtung verläuft noch<br />

unumkehrbar ist, wurden entsprechend auch einige Faktoren in Studien belegt,<br />

die den Prozess behindern oder verhindern können, bzw. dazu geeignet sind, ihn<br />

wieder umzukehren. Bjørgo (Bjørgo, et al., 2009, S. 40-42) zum Beispiel unterstreicht<br />

die Bedeutung der positiven Charakteristika der Gruppe (Freundschaften,<br />

Beziehungen, Spaß), negative Gruppensanktionen (Feme) bei Ausstieg, den<br />

Schutzverlust gegen Feinde und die eventuell drohenden Sanktionen des Strafverfolgungssystems.<br />

Zudem können auch die Perspektivlosigkeit und die Angst vor<br />

Stigmatisierung bedeutende Faktoren sein.

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