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Edition Rechtsextremismus

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Deradikalisierung als Methode<br />

427<br />

2 Theorie<br />

Beginnend in den späten 1980er Jahren mit einem Artikel von James Aho (1988)<br />

wurden bereits schrittweise umfänglich vorhandene Erkenntnisse der Kriminologie<br />

(für einen Überblick siehe: Laub & Sampson, 2001) in Bezug auf die Beendigung<br />

krimineller Karrieren (im Bereich der ‚Desistance’-Forschung) und der Forschung<br />

zu Sekten und Jugendgangs im Rahmen politikwissenschaftlicher Ansätze<br />

zur Erforschung politischer Gewalt zusammengeführt. Obwohl die kriminologische<br />

Forschung nur begrenzt auf das Phänomen politisch oder religiös motivierter<br />

Gewalt anwendbar war und ist, ließen sich zumindest grundlegende praktische<br />

Erkenntnisse mit empirisch abgesicherter Wirksamkeit im Bereich der Senkung<br />

von Rückfallquoten und nachhaltigerer Reintegration mit großem Gewinn in der<br />

frühen Deradikalisierungsforschung einbringen (für eine detaillierte Übersicht<br />

über die Schnittmengen siehe: Koehler, 2013b, 2014a). Sogar eines der wichtigsten<br />

Konzepte der internationalen Deradikalisierungsforschung – die Unterscheidung<br />

zwischen einer psychischen/ideologischen und rein physischen Distanzierung<br />

(‚Deradicalization’ – ‚Disengagement’ 3 ) – ndet eine Parallele in der Kriminologie<br />

(zu primary und secondary desistance siehe z. B.: Maruna, Lebel, Mitchell,<br />

& Naples, 2006). Grundsätzlich also – und diese Unterscheidung ist essentiell, um<br />

zentrale Konzepte und Methoden in der Praxis und Theorie der Deradikalisierung<br />

zu verstehen – bezeichnet ‚Deradikalisierung’ den individuellen oder kollektiven<br />

kognitiven (oder: ideologischen) Wandel von einer kriminellen, ideologisch-radikalen<br />

oder extremistischen zu einer nicht kriminellen und moderaten Identität<br />

und/oder Persönlichkeit. Deradikalisierung muss dabei stark von der rein physischen<br />

Distanzierung oder Herauslösung (Disengagement) abgegrenzt werden, die<br />

den rein physischen Verhaltenswandel beschreibt und die ideologische bzw. identitäre<br />

Ebene des Prozesses außer Acht lässt (vgl. Bjørgo, 2009; Bjørgo & Horgan,<br />

2009; Bjørgo, Van Donselaar, & Grunenberg, 2009; Horgan, 2008, 2009; Noricks,<br />

2009). Dieser Unterscheidung folgend kann es möglich sein, dass Individuen zwar<br />

aus extremistischen Umfeldern herausgelöst werden (d. h. kein strafrechtlich relevantes<br />

Verhalten, keine Gruppenbezüge usw. mehr aufweisen), aber dennoch<br />

eine entsprechende radikale Ideologie vertreten bzw. diese verinnerlicht haben.<br />

Andererseits können Personen in Gruppen und Verhaltensstrukturen aktiv sein<br />

(d. h. nicht herausgelöst), aber die Ideologie bereits aufgegeben haben. Die Frage,<br />

3 Diese beiden englischen Begriffe haben bisher keine Entsprechung in der deutschen<br />

Forschung, sind aber essentiell, um die Charakteristik zentraler Konzepte und Methoden<br />

zu verstehen. Daher werden in diesem Kapitel die Begriffe Deradikalisierung und<br />

Herauslösung bzw. physische Distanzierung zur Unterscheidung verwendet.

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