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Edition Rechtsextremismus

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214 Heike Würstl<br />

2008, S. 16). Vielmehr seien es genutzte Gelegenheiten, um persönliche, soziale<br />

und emotionale Bedürfnisse zu befriedigen.<br />

An Hand der objektiven Lebensdaten von Uwe Böhnhardt werde ich aufzeigen,<br />

welche biogra schen Entscheidungen ihm innerhalb seines sozialen und historischen<br />

Kontexts objektiv, d. h. unabhängig von deren subjektiv-intentionaler Repräsentanz,<br />

zur Verfügung standen, welche er tatsächlich realisierte bzw. nicht realisierte<br />

und welche objektive Motivation hinter seinen Entscheidungen gestanden<br />

haben könnte. 1<br />

Theoretisches Fundament meiner Darlegung bildet das Individuierungskonzept<br />

der strukturalen Soziologie (vgl. Wagner, 2004a, 2004b; Oevermann, 1979, 2009).<br />

Danach werden an das Subjekt zunächst von außen im Rahmen der sozialisatorischen<br />

Interaktion Strukturen herangetragen, die es ihm zunehmend ermöglichen,<br />

sich selbst zu konstituieren und Strukturen selbstständig zu deuten. Im Verlauf<br />

der Subjektwerdung muss es vier ontogenetisch bedingte Ablösungskrisen (Geburt,<br />

Mutter-Kind-Bindung, ödipale Krise und Adoleszenz) meistern. Der Grad,<br />

in dem dies gelingt, setzt Möglichkeiten und Grenzen für zukünftige biograsche<br />

Entscheidungen.<br />

Beginnen werde ich mit der Erörterung der familiären und historischen Kontextbedingungen.<br />

Sie sind nicht im Sinne einer Entscheidungsdetermination zu<br />

verstehen. Vielmehr stecken sie den Entscheidungsraum ab, indem sie Handlungsalternativen<br />

eröffnen oder beschränken.<br />

2 Generation, Herkunftsmilieu, Herkunftsfamilie<br />

Uwe Böhnhardt wird 1977 in Jena (DDR) geboren. Sein Vater, Jahrgang 1944,<br />

ist Ingenieur. Seine Mutter, 1948 geboren, erlernt den Beruf einer Unterstufenlehrerin<br />

und arbeitet im Bereich der Sonderschulpädagogik. Uwe Böhnhardt hat<br />

zwei ältere Geschwister. Jan, der älteste Bruder, wird 1969 geboren, Peter, der<br />

zweitälteste Bruder, 1971.<br />

Uwe Böhnhardt gehört einer Generation an, deren Angehörige zum Zeitpunkt<br />

ihrer Adoleszenz, die sie etwa zwischen 1992 und 1996 erleben, von den Erwachsenen<br />

sich selbst überlassen bleiben. Eltern, Lehrer und staatliche Akteure<br />

benden sich infolge der Transformation der ostdeutschen Gesellschaft in einer<br />

Orientierungslosigkeit. Sie üben ihre Korrektivfunktion im Falle adoleszenzbedingter<br />

Normenüberschreitung nur eingeschränkt aus, weil sie selbst nicht wissen,<br />

1 Eine Darstellung der vollständigen Fallrekonstruktion des Subjektbildungsprozesses<br />

von Uwe Böhnhardt findet sich in Würstl (2015).

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