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Edition Rechtsextremismus

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454 Reiner Becker<br />

welches sowohl auf jüngere als auch ältere Einwohner eines Dorfes fokussierte<br />

und in dessen Mittelpunkt die Frage stand, warum im kollektiven Gedächtnis des<br />

Ortes die Zeit des Nationalsozialismus keine Rolle spielt. Methodisch orientierte<br />

sich dieses Projekt an pädagogischen Ansätzen aus den 1980er Jahren, in denen<br />

nach dem Motto, „Grabe, wo Du stehst“, (Lindqvist, 1989) die konkreten Lebensorte<br />

von Jugendlichen und Erwachsenen der Ausgangspunkt für die historischpolitische<br />

Bildung darstellte und Lebensorte als Lernorte der lokalen-historischen<br />

Spurensicherung betrachtet wurden (Lecke, 1983).<br />

Der heute etwas über 2000 Einwohner zählende Ort in Mittelhessen ist historisch<br />

stark verwurzelt mit dem Eisenerzbergbau. Bis heute prägen die Erzählungen<br />

über die Zeit der Gruben und des Hochofens am Rande des Ortes das kollektive<br />

Gedächtnis des Dorfes. Daneben existierten jedoch Geschichten und Bilder, die<br />

keinen Eingang in die öffentlichen Erzählungen des Dorfes gefunden haben: Es<br />

sind Erzählungen vom z. T. dramatischen Wandel des Dorebens und vom drohenden<br />

Niedergang des Bergbaus Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre, von der<br />

wachsenden Bedeutung der NSDAP im Ort und von deren großen Wahlerfolgen<br />

schon vor der letzten demokratischen Wahl im März 1933. Völlig unbekannt – zumindest<br />

in der breiten lokalen Öffentlichkeit – war die Bedeutung von Zwangsarbeit<br />

im Ort; Hunderte von Menschen aus sechs Nationen leisteten am Hochofen<br />

und in den Gruben um Oberscheld ab Anfang der 1940er Jahre Zwangsarbeit.<br />

In dem Projekt „Die vergessenen Geschichten Oberschelds“ hat der „Jugend-<br />

Arbeits-Kreis Oberscheld“ (JAKOb e.V.), ein Träger der Offenen Jugendarbeit,<br />

gemeinsam mit einer Gruppe von Jugendlichen versucht, einen Teil dieser „vergessenen<br />

Geschichten“ zu bergen und einen Bezug zu Fremdenfeindlichkeit und<br />

<strong>Rechtsextremismus</strong> heute herzustellen, zumal der Ort in der Vergangenheit immer<br />

wieder Ausgangspunkt für die Herausbildung rechtsextrem orientierter Jugendcliquen<br />

oder Ort von Vorkommnissen mit einem rechtsextremen Hintergrund war.<br />

Dies war auch 2001 der Anlass für ehrenamtlich Engagierte des Dorfes, eine offene<br />

Jugendarbeit für den Ort zu entwickeln und bis heute anzubieten (vgl. Born<br />

& Reuter, 2013) 4 .<br />

Gemeinsam mit neun Jugendlichen sichtete ein Projektteam Dokumente im<br />

International Tracing Service (ITS) Bad Arolsen und im Hessischen Hauptstaatsarchiv,<br />

Wiesbaden, zur Dorfgeschichte. Weiterhin wurden historische Zeitungsartikel<br />

ausgewertet und Fotos aus dieser Zeit gesammelt. Ein wesentlicher Bestand-<br />

2013 bis März 2014. Weitere Informationen zu JAKOb e.V. siehe www.projekt-jakob.<br />

de.<br />

4 Der Autor ist Gründungsmitglied des Vereins und hat das Projekt „Die vergessenen<br />

Geschichten Oberschelds“ wissenschaftlich begleitet.

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