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Edition Rechtsextremismus

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444 Reiner Becker<br />

1 Politische Kultur als Teil der politischen Sozialisation<br />

Die Herausbildung und die Verfestigung von politischen Einstellungen ist ein<br />

komplexer Prozess und vollzieht sich zunächst auf der Individualebene und Mesoebene<br />

des institutionellen Lebens, dann auf der gesellschaftlichen Makroebene<br />

sowie auf Ebene der politischen Kultur.<br />

Politische Sozialisation auf der Individualebene geschieht in der Abhängigkeit<br />

von den primären Instanzen der politischen Sozialisation wie Familie, der Peergroup<br />

und der Schule aber auch den Medien. Hier gilt es zwischen manifesten<br />

Gehalten der politischen Sozialisation (z. B. welche politische Einstellungen geben<br />

Eltern an ihre Kinder weiter, welchen Bestandteil nimmt das Thema Politik<br />

und Gesellschaft in den Unterrichtscurricula an Schulen ein) und Prozessen auf<br />

einer (eher) latenten Ebene zu unterscheiden. Bezogen auf die Familie weisen Forschungsbefunde<br />

etwa auf die Bindungsqualität zwischen Eltern und Kind als einen<br />

relevanten Faktor der politischen Sozialisation hin (Hopf, Rieker, Sanden-Marcus<br />

& Schmidt, 1995) oder zeigen den Zusammenhang von Erziehungsstilen, Beziehungsqualitäten<br />

und der Qualität der manifesten politischen Sozialisation (Becker,<br />

2008). Die Sozialisationsinstanz Schule gewinnt z. B. über die Möglichkeit für<br />

Schüler und Schülerinnen an demokratischer Teilhabe oder Nichtteilhabe an Relevanz<br />

(Gänger, 2007). Die Peergroup bzw. Jugendcliquen bilden neben Familie und<br />

Schule einen weiteren lebensweltlichen Bezugspunkt für Af nisierungsprozesse<br />

und spielen insbesondere in der Abgrenzung gegenüber anderen Jugendlichen bzw.<br />

Jugendkulturen und den anderen primären Sozialisationsinstanzen eine wesentliche<br />

Rolle (Küpper & Möller, 2014, S. 37f.). In der Regel sind dabei rechtsextrem<br />

orientierte Jugendcliquen (zunächst) eher erlebnisorientiert und weniger ideologisiert<br />

und sie werden eher in ländlichen Räumen wahrgenommen (Hafeneger &<br />

Becker, 2007).<br />

Politische Sozialisation auf der interaktiven Individualebene zu betrachten, bedeutet<br />

allerdings nicht, dass es sich dabei um rein individualisierte, isolierte Prozesse<br />

handelt. Vielmehr werden sie von institutionell vermittelten Prozessen auf<br />

gesellschaftlicher Ebene beeinusst. So führt eine tatsächliche bzw. wahrgenommene<br />

relative Deprivation als Folge des ökonomischen Wandels zu höheren Anfälligkeiten<br />

für rechtsextreme Ideologien bei bestimmten Bevölkerungsgruppen<br />

(Hofstadter, 1964). Scheuch und Klingemann haben im <strong>Rechtsextremismus</strong> eine<br />

„normale Pathologie von freiheitlichen Industriegesellschaften“ gesehen (Scheuch<br />

& Klingemann, 1967, S. 13), nach der ein Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen<br />

Modernisierungsprozessen, Anomie (vgl. Durkheim, 1993; Merton, 1995),<br />

rigiden Handlungsweisen und der Unterstützung von rechtsextremen Parteien besteht.<br />

Erfahrungen von unterschiedlichen Formen von Desintegration als Folge des

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