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Edition Rechtsextremismus

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222 Heike Würstl<br />

Im beruichen Bewährungsfeld scheitert Böhnhardt. Es gelingt ihm nach einer<br />

Berufsausbildung zum Hochbaufacharbeiter aufgrund seines Ablösungsproblems<br />

nicht, eine längerfristige Anstellung zu nden. Er ist bis zu seinem „Abtauchen“<br />

im Jahr 1998 mit Ausnahme weniger Wochen Beschäftigungszeit arbeitslos, was<br />

auf der Folie seines Herkunftsmilieus mit Deprivationserfahrungen einhergehen<br />

muss. Mit seiner Ausmusterung vom Wehrdienst wegen psychisch bedingter<br />

Nichteignung wird er ein weiteres Mal als geistiger „Tiefieger“ stigmatisiert. Zudem<br />

wird ihm die Möglichkeit genommen, sein Faible für Sprengstoff und Waffen<br />

in eine sozial adäquate Form im Rahmen einer beruichen Beschäftigung bei der<br />

Bundeswehr zu kanalisieren.<br />

Im dritten Bewährungsfeld scheitert Böhnhardt ebenfalls. Er orientiert sich zunächst<br />

an einem negativen Sinnentwurf, indem er sich einer rechtsextremen Gruppierung<br />

(Anti-Antifa/Thüringer Heimatschutz) zuwendet und politisch motivierte<br />

Straftaten begeht. Der Sinnentwurf verfestigt sich über die Adoleszenz hinausgehend<br />

zu einem abweichenden, Sozialität zerstörenden Identitätsentwurf, der in der<br />

Gründung des NSU und der Ermordung von zehn Menschen gipfelt.<br />

4 Fazit<br />

Uwe Böhnhardt ist in allen von Anhut und Heitmeyer vorschlagen Integrationsdimensionen<br />

hochgradig desintegriert (vgl. Anhut & Heitmeyer, 2007). 2 Bereits in<br />

der Schule bekommt er als Sitzenbleiber keine personale Anerkennung. Auch in<br />

seinem Beruf misslingt ihm eine seiner Herkunft adäquate soziale Positionierung.<br />

Er ndet nach seiner Berufsausbildung zum Baufacharbeiter keine längerfristige<br />

Anstellung. Auch auf institutioneller Ebene ist Böhnhardt desintegriert. Er ist als<br />

Vorbestrafter gelabelt. Die negativen Folgen von Etikettierungen sind durch die<br />

kriminalsoziologische Forschung hinreichend untersucht worden. Der Ausschluss<br />

vom Wehrdienst stellt vor dem Hintergrund der hegemonial-männlichkeitsorientierten<br />

rechtsextremen Szene objektiv, d. h. unabhängig von der subjektiv-intentionalen<br />

Bewertung des Ereignisses, ein weiteres Anerkennungsde zit dar. Auf<br />

sozio-emotionaler Ebene ist ebenfalls keine Integration erkennbar. Die emotionale<br />

2 Nach dem Desintegrationsansatz bedarf es der Einbindung der Gesellschaftsmitglieder<br />

auf drei Ebenen, um soziale Integration zu sichern. Der Einzelne muss sozialstrukturell<br />

eingebunden sein, damit er an den materiellen und kulturellen Gütern der<br />

Gesellschaft teilhaben kann. Er muss institutionell integriert sein, was ihm ein Ausgleich<br />

konfligierender Interessen ohne Verletzung seiner Integrität ermöglicht. Auf<br />

einer dritten Ebene bedarf es emotionaler Bindungen zwischen Personen, die vor einer<br />

Orientierungslosigkeit und Identitätskrise schützen (vgl. Anhut & Heitmeyer, 2007).

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