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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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zusammen zu sehen mit den Bedingungen, „unter welchen die glaubenden<br />

und erkennenden Menschen gestanden haben“ (Harnack: Dogmengeschichte<br />

15) und stehen; und es sollte ihnen dazu nützen, sich als über den Glauben<br />

reflektierende und theoretisierende Menschen unter bestimmten Bedingungen<br />

zu begreifen, deren sinnlich menschliches Handeln neben (hoffentlich!)<br />

vielem Anderen auch <strong>Theologie</strong> hervorbringt.<br />

Geht man zurück auf die Forderungen Harnacks, so heißt das (zunächst<br />

einmal) Folgendes. Zum einen sollte ein wissenschaftlich-theologisches<br />

Vokabular den Theologinnen und Theologen einen speziellen Blick<br />

auf die Quellen in Schrift und Tradition eröffnen und dabei auch das<br />

Verlorengehen von Verständnis für frühere <strong>Theologie</strong>n berücksichtigen<br />

helfen (Wirkungsgeschichte). Nicht alles Traditionsgut muss behalten<br />

werden; Anderes taucht immer wieder mal auf, ob man es behalten will<br />

oder nicht. Woran liegt das? Ein wissenschaftliches Vokabular sollte Theologen<br />

und Theologinnen helfen, die eigenen Operationsweisen kritisch in<br />

den Blick zu nehmen, zum Beispiel die Reichweite der Forderung nach<br />

logischer Widerspruchsfreiheit. Es sollte anleiten, die kirchlichen Bedingungen<br />

theologischer Produktion selbstkritisch zu beachten, wie etwa<br />

Gottesdienst und Kirchenverfassung, ebenso wie die Abgrenzung gegen<br />

andere Kirchen und Lehrmeinungen. Und es sollte helfen, die allgemeinen<br />

gesellschaftlichen Bedingungen der Hervorbringung von <strong>Theologie</strong> zu<br />

beachten. Dabei sollte aber das Augenmerk nicht nur auf die objektiven<br />

Verhältnisse, wie etwa wirtschaftliche und politische Institutionen und<br />

Praktiken, gelenkt werden. Diese sind vielmehr im Zusammenhang zu<br />

sehen mit den „wechselnden sittlichen Lebensidealen“ und sogar der<br />

„heiligenden Macht blinder Gewohnheit“ (Harnack) – das heißt also mit<br />

den in Fleisch und Blut übergegangenen Ansichten und Handlungsweisen<br />

der lebendigen Menschen.<br />

Wenn man dieses kritische Anliegen mit einem praxeologischen Vokabular<br />

vorantreiben möchte, gilt es freilich auch, das Erbe der dialektischen<br />

<strong>Theologie</strong> nicht zu verlieren. <strong>Theologie</strong> hat mit Offenbarung zu tun;<br />

und Offenbarung erzeugt Unterbrechung, Bruch mit dem Bestehenden.<br />

<strong>Theologie</strong> darf nicht zu einem fertigen Ergebnis versteinern, welches mit<br />

kirchlichen und gesellschaftlichen Zuständen identifiziert ist, sondern muss<br />

sich eine kritische Distanz bewahren. Das heißt aber auch, dass der Akzent<br />

auf dem Bruch nicht selbst zu einer Position kirchlicher Wirklichkeit<br />

gerinnen darf. Um diesen kritischen Selbst- und Fremdbezug der <strong>Theologie</strong><br />

aktiv zu halten, kontrolliert praxeologische Reflexion die theologische<br />

Arbeit immer sowohl auf Verlust von präzisem sachlichen Bezug (um<br />

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