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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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gemeine <strong>Praxis</strong> des Glaubens bezeichnet werden kann, in der sich der<br />

Glaube immer wieder neu konstituiert. Allerdings: Zur formalen Grundlegung<br />

der dogmatischen Denkbewegung mag es auch genügen, auf das<br />

Gebet als Grundrelation christlicher Existenz und dogmatischen Nachdenkens<br />

zu verweisen. Damit ist freilich der Subjektivismus keineswegs verlassen<br />

und zugleich eine stillschweigende Generalisierung des Selbstbildes des<br />

Wissenschaftlers eingeleitet. Denn hier wird nicht beachtet, wer genau da<br />

betet. Vielmehr erscheint der betende nordatlantische Wissenschaftler als<br />

der Standard-Beter, von dem her die materiale Dogmatik entworfen wird.<br />

Solange die objektiven Lebensverhältnisse, die konkreten Kontexte der<br />

Beter (also des Wissenschaftlers selbst und anderer Beter in anderen Kontexten)<br />

nicht Gegenstand der theologischen Reflexion und Grundlage der<br />

Formulierung materialer Dogmatik werden, führt der Schritt Ebelings<br />

nicht weit genug aus der subjektivistischen Engführung der Bultmann-<br />

Schule hinaus. Am konkreten Beispiel: Es ist theologisch von Belang, dass<br />

verarmte, militärisch unterdrückte Landarbeiter ohne Zukunftsperspektive<br />

in lateinamerikanischen Pfingstgemeinden typischerweise in kauernder<br />

Stellung laut klagend beten, während kapitalkräftige, krisenbedrohte und<br />

politisch aktive Mitglieder neopfingstlicher Kirchen bei Jubelgesängen zum<br />

Geistempfang stehend die Arme zum Himmel öffnen, während wiederum<br />

gut situierte traditionsbewusste Mittelstandsprotestanten in stabilen mittelund<br />

nordeuropäischen Gesellschaften ihre Bitt- und Dankgebete mit leicht<br />

geneigtem Haupt und gefalteten Hände aufrecht stehend vor Gott bringen.<br />

Für die subjektivistischen Ansätze ist der Glaube als operatives Prinzip<br />

von <strong>Theologie</strong> zentral. Der Fokus liegt auf dem Glauben als Akt.<br />

Für kontextbewusste <strong>Theologie</strong> ist der subjektivistische Ansatz zunächst<br />

einmal nützlich. Er erlaubt eine hermeneutische Sicht auf die Entstehung<br />

von <strong>Theologie</strong> und eröffnet Einsicht in die Geschichtlichkeit auch des<br />

theologischen Schaffens, die Relativität von Positionen, die Perspektivität<br />

von Wahrheit und einiges Andere. Außerdem ist der Ansatz leicht auszuweiten<br />

um die gesellschaftliche Perspektive. Man braucht das Subjekt nur<br />

von seinen gesellschaftlichen Relationen her zu begreifen. Aber dann ist<br />

der subjektivistische Ansatz kein solcher mehr; denn dann bewegt er sich<br />

auf eine Theorie der <strong>Praxis</strong> als menschlicher Tätigkeit zu. Worin aber<br />

liegen potentielle Gefahren des subjektivistischen Ansatzes für praxeologisch<br />

orientierte <strong>Theologie</strong>?<br />

In der westlichen Philosophie und Sozialwissenschaft ist der Subjektivismus<br />

immer auch stark individualistisch. Dies ist besonders dann problematisch,<br />

wenn das Individuum stillschweigend die zentrale Bezugsinstanz für<br />

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