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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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nicht im Verhältnis von Sinn und Sache besteht, sondern in einer Architektur des<br />

Sinns, in einem Verhältnis von Sinn und Sinn, von zweitem und erstem Sinn...“<br />

(Ricoeur: Interpretation 30).<br />

Ich halte den ricoeurschen Symbolbegriff für nützlich im Rahmen eines<br />

praxeologischen Ansatzes. Allerdings sollte man wie folgt differenzieren: Bedeutung<br />

öffnet zwar die Sprache in einer direkten Bezogenheit auf Referenzobjekte<br />

hin (was nicht eine Abbildtheorie legitimiert!); aber dadurch sollte Sinn nicht<br />

notwendigerweise nur als bloßes Gedankending ohne Bezug auf die äußere Wirklichkeit,<br />

letztlich als Relation zwischen Signifikant und Signifikat, aufgefasst<br />

werden. In den Sinn gehen nämlich die aus den objektiven gesellschaftlichen<br />

Bedingungen entstandenen Wahrnehmungs- und Deutungsschemata ein, welche<br />

sich ihrerseits der Vorerfahrung der Welt verdanken. Nach Alfred Schütz sind<br />

Zeichensysteme gerade darin sinnträchtig, dass sie „Erlebnisse... kraft besonderer<br />

vorangegangener erfahrender Erlebnisse in andere (inadäquate) Deutungsschemata“<br />

(Schütz: Aufbau 168) einordnen. Folglich besteht der Sinn eines Zeichens „in<br />

der Transponierbarkeit, das heißt in seiner Rückführbarkeit auf anderweitig<br />

Bekanntes“ (Schütz: Aufbau 171): ein schon vorhandenes Erfahrungsschema oder<br />

ein anderes Zeichensystem. Die Bedeutungsfunktion eines Zeichens verweist innerhalb<br />

des intersubjektiven Systems der beherrschten Sprache hingegen auf das<br />

Bezeichnete. (Schütz: Aufbau 172) Dabei garantiert die intersubjektive Verbindlichkeit<br />

des Zeichensystems die Objektivität des Sinnes. Der Sinn eines Zeichens<br />

wird von jenem Sinn unterschieden, der dem Handeln beigelegt wird. Es mag am<br />

phänomenologischen Interesse für die subjektive Erfahrung der Zeitlichkeit<br />

liegen, dass Schütz bei der Konstitutionsanalyse der Sinnhaftigkeit des Verhaltens<br />

und Handelns nur das reflexive Zurückblicken des Subjekts auf sein Verhalten<br />

und Handeln in der Zeitlichkeit, also vermittels diachroner Analyse, in den Blick<br />

bekommt, (Schütz: Aufbau 49 ff.) die Systemhaftigkeit der Handlungsschemata<br />

aber nicht in synchroner Analyse betrachtet. Auf der anderen Seite verwundert es<br />

aber um so mehr, wie bereitwillig er aus der Systemhaftigkeit der, seiner Auffassung<br />

nach, intersubjektiv festgelegten Zeichensysteme die Objektivität des<br />

Sinnes des Zeichens und seine Invarianz als Deutungsschema „gegenüber den<br />

Erlebnissen des erfahrenden Ich, in denen es sich konstituierte“ (Schütz: Aufbau<br />

173) konzediert. Die Differenz zwischen Zeichensystemen und Handeln, die<br />

Schütz unterstreicht, wurzelt im phänomenologischen Subjektivismus, der in der<br />

Epoché die gesellschaftlichen Relationen ausklammert zugunsten einer psychologistischen<br />

Wesenswissenschaft (Schütz: Aufbau 55 f.). Damit gilt das Verdikt von<br />

Habermas: „Der phänomenologische Ansatz bleibt innerhalb der Schranken der<br />

Bewußtseinsanalyse.“ (Habermas: Logik 239) Der subjektivistischen Phänomenologie<br />

geraten die objektiven Relationen, die Handeln und Verhalten bedingen und<br />

qua Erfahrung interiorisiert sind, per definitionem aus dem Blick, zugunsten einer<br />

Theorie, die im Verhalten und Handeln eine von objektiven gesellschaftlichen<br />

Relationen freie Setzung des Subjekts erblickt – eine Konzeption, die sich im Blick<br />

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