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Praxis - Theologie - Universität Bielefeld

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Lehrschriften, Bekenntnissen usw. explizit niederlegt, das heißt objektiviert.<br />

Die religiösen Habitus der Akteure speichern, subjektiv, entsprechende<br />

kognitive, affektive und leibliche Dispositionen der Akteure als implizit<br />

wirksame Axiome der praktischen wirksamen Logik. Dispositionen bilden<br />

sich heraus, indem die Akteure mit den expliziten religiösen Zeicheninventaren<br />

im Alltag arbeiten und sie, unter Akzentverschiebungen, im Wahrnehmen,<br />

Urteilen und Handeln den kontextuellen Erfordernissen anpassen.<br />

Die kognitiven Strukturen der Habitus sind also tendenziell (!) homolog<br />

zu den als offizielle <strong>Theologie</strong>n einer religiösen Bewegung durch<br />

deren Spezialisten erstellten und explizit gemachten Zeichensystemen. Oft<br />

sind sie aber dennoch sehr unterschiedlich. Die Tendenz zur Homologie<br />

nimmt umso mehr ab, je weiter die sozialen und religiösen Positionen der<br />

Spezialisten und Laien voneinander entfernt sind. Überdies stellen ja die<br />

offiziellen Lehren keineswegs die objektive Wahrheit der Glaubensinhalte<br />

eines religiösen Kollektivs dar; sie sind vielmehr vor allem von den Habitus<br />

der sie formulierenden Spezialisten orientiert und begrenzt. Die kognitiven<br />

Dispositionen der Habitus (gleich ob bei Laien oder Experten)<br />

fungieren somit in jedem Falle als implizite Axiome für explizite Lehrsysteme.<br />

Damit liegt im Blick auf die religionswissenschaftliche Analyse jede<br />

religiöse Äußerung auf der gleichen Objektebene, handle es sich nun um<br />

das von einem Kleinbauern erzählte Endzeitdrama, die Darlegung der<br />

geltenden kirchlichen Normen durch den Vertreter einer Kirchenleitung,<br />

eine Bekenntnisschrift oder eine getanzte Liturgie. Dabei hat die sprachliche<br />

Vermittlung einen gewissen methodischen Vorrang, wenn man, wie<br />

der Autor, von einer sprachlichen Verfasstheit des Denkens ausgeht. 88 Die<br />

tatsächlich im Gebrauch befindlichen religiösen Zeichensysteme können in<br />

einer religionswissenschaftlichen Analyse somit vermittels der kognitiven<br />

Dispositionen der religiösen Habitus rekonstruiert werden. Die kognitiven<br />

Dispositionen sind aber nicht alles.<br />

Homolog zum Netz der kognitiven kann man sich auch ein Netz der<br />

affektiven Dispositionen vorstellen. Dies ist im Blick auf eine Rekonstruktion<br />

von Zeichensystemen weniger erheblich. Für das Verständnis von Religion<br />

sind Affekte allerdings von großer Bedeutung. William James (Vielfalt 483<br />

ff.) widmet dem Gefühl großes Interesse, wenn auch in vollkommen<br />

anderer Hinsicht als Rudolf Otto. „Denken und Fühlen“, so James, „sind<br />

beides Determinanten des Verhaltens; ein und dasselbe Verhalten kann<br />

88 ...was aber nicht heißt, dass damit alles bewusst oder explizit wäre.<br />

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